Beistandschaft - liberale Praxis für Familienangehörige
Eltern, die sich als private Beistände um ihre erwachsenen, geistig behinderten Kinder kümmern, können im Kanton Zug ganz oder teilweise von der Berichts- und Rechenschaftspflicht entbunden werden. Auf diese Weise entlastet die Zuger KESB betroffene Eltern von bürokratischem Aufwand. «Damit schöpfen wir einen Spielraum aus, der das geltende Gesetz bietet und reagieren auf das Bedürfnis von Betroffenen», sagt Jörg Halter, Vizepräsident der Zuger KESB. Die konkreten Umstände werden von Fall zu Fall geprüft, um gleichzeitig das Wohl und den Schutz der Behinderten sicherzustellen.
Eltern von erwachsenen, geistig behinderten Kindern sind auf unterschiedliche Weise gefordert. Sie bieten ihren Kindern ein Zuhause, sorgen für eine externe Tagesstruktur oder Heimunterbringung und sind darum bemüht, dass ihre Kinder entsprechend ihren Fähigkeiten betreut bzw. beschäftigt sind. Nicht zuletzt kümmern sie sich - bei Handlungs- oder Urteilsunfähigkeit - oft auch noch um finanzielle und juristische Belange. Bis zur Revision des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts nahmen Väter und Mütter diese unterschiedlichen Aufgaben über die «erstreckte elterliche Sorge» wahr. Seit Inkrafttreten des Gesetzes per 1. Januar 2013 erfolgt dies im Rahmen einer Beistandschaft. Dadurch entsteht gegenüber dem Staat einerseits eine Rechenschaftspflicht, wird anderseits aber auch das Wohl und der Schutz der behinderten Person sichergestellt.
Im Kanton Zug können Familienangehörige, die als Beistände eingesetzt sind, ganz oder teilweise von der Berichts- und Rechenschaftspflicht befreit werden. Etwa dann, wenn nur eine bescheidene Rente oder ein IV-Taggeld zu verwalten bzw. das liquide Gesamtvermögen der verbeiständeten Person gering ist. Vorausgesetzt wird auch, dass die betroffene Person in einer Institution wohnt oder betreut wird. Die Entbindung geschieht auf Antrag des Beistandes. Gegenwärtig profitieren im Kanton rund zwei Drittel der ehemaligen Inhaber der «erstreckter elterlicher Sorge» von der Entbindung der Berichts- und Rechenschaftspflicht. Mit der Praxislockerung kommt die Zuger KESB einem Anliegen von Betroffenen entgegen, die den übermässigen administrativen Aufwand beklagten. «Wir nutzen den Spielraum, der uns das geltende Gesetz bietet», betont Jörg Halter, Vizepräsident der Zuger KESB. «Private Beistände, die sich um das Wohl ihrer behinderten Kinder oder Geschwister kümmern, nehmen eine wichtige und anspruchsvolle Aufgabe wahr und sollen nicht durch administrativen Mehraufwand belastet werden.» Willkommener Nebeneffekt: Durch die Reduktion der eingereichten Dokumente mindert sich der Kontrollaufwand für die KESB und fallen entsprechende Gebühren weg.
Der KESB-Vizepräsident zeigt sich überzeugt, dass die Regelung nicht nur juristisch verantwortbar, sondern auch menschlich angezeigt und politisch richtig ist, zumal immer eine Einzelfallprüfung vorgenommen und den konkreten Verhältnissen angemessen Rechnung getragen wird. Bei einzelnen ausserordentlichen Geschäften wie beispielsweise Grundstückverkäufen und Erbschaftsangelegenheiten besteht weiterhin eine Genehmigungspflicht durch die KESB; dies zum Schutz der urteilsunfähigen Person und zur Risikovermeidung von Haftungsfällen.
Für das Vorgehen hat das Amt für Kindes- und Erwachsenenschutz im Juni 2016 ein Merkblatt erlassen, das sowohl die Voraussetzungen als auch die Ausschlusskriterien für eine Entbindung definiert. Auch der Kanton Bern kennt eine ähnlich pragmatische Praxis wie der Kanton Zug. Insieme, die Dachorganisation der Elternvereine für Menschen mit einer geistigen Behinderung, begrüsst die Lockerung, die als Ergebnis konstruktiver Gespräche zwischen Betroffenen und KESB-Fachleuten zustande kam.
Weitere Auskünfte:
Amt für Kindes- und Erwachsenenschutz
Jörg Halter, stv. Amtsleiter / KESB-Vizepräsident
joerg.halter@zg.ch 041 728 79 81
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Typ | Titel | Bearbeitet |
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Beistandschaft - liberale Praxis für Familienangehörige | 08.07.2016 |