Meister Bockert meldet sich im Jahr der Biodiversität zurück
Im Naturschutzgebiet Reussspitz werden Bäume gefällt und es wird haufenweise Astwerk transportiert; ein Biber ist am Werk. Nachdem die Bestände im nördlichen Mittelland markant gewachsen sind, breitet er sich jetzt gegen das Voralpengebiet aus. Bei der Direktion des Innern herrscht einhellige Freude über den Zuwanderer.
Ein Biber verrät seine Anwesenheit bereits eindeutig durch das hinterlassene Spurenbild. Zusätzlich wird der Nachweis mit den Fotofallen-Bildern der Direktion des Innern dokumentiert. "Man kann das Tier beim Fällen eines Baumes und beim Abtransport der Äste beobachten, ohne es zu stören. Von der Grösse her halte ich es für ein jüngeres Tier ", sagt der Wildhüter Ernst Suter. Das wäre dann durchaus auch typisch, denn Jungtiere müssen sich ein eigenes Territorium etablieren und besiedeln dabei neue Lebensräume. Natürlich nur dann, wenn die Population wächst und sich die Art ausbreitet.
Genau dies passiert auch. Die Biberbestände in der Schweiz wachsen sehr stark. Nachdem der Biber komplett ausgerottet war, erfolgten zwischen Mitte der 1950er- und Ende 1970er-Jahre verschiedene Wiederansiedlungen. So wurden auch an der Sihl insgesamt sechs Biber ausgesetzt; eine recht glücklose Aktion. Allein drei dieser Tiere wurden tot aufgefunden oder auf der Strasse überfahren. Nach einer langsamen Etablierungsphase setzte ab den 1990er-Jahren schweizweit ein deutliches Populationswachstum und eine starke Ausbreitungsdynamik ein. Bei der letzten gesamtschweizerischen Bestandeserhebung im Winter 2007/2008 wurden rund 1'600 Biber festgestellt. Der einzige Nachweis damals im Kanton Zug war ein Biber im Grenzgebiet zum Kanton Schwyz am Fluss Biber [vgl. Abbildung BAFU: Biberreviere im Winter 2007/08 in der Schweiz]. Vermutlich ist dieser Biber ein Nachkomme der unterdessen verwaisten Sihl-Population.
Der jetzt dokumentierte Biber im Reuss-Lorze-Gebiet dürfte bessere Perspektiven haben als die Tiere an der Sihl. In den vergangenen 10 Jahren ist es bereits das dritte Mal, dass ein Biber nachweislich im Raum der Maschwander Allmend auftaucht. Reussaufwärts gibt es eine deutliche Ausbreitungstendenz. Das Reusstal ist durch seine Naturnähe als Lebensraum geeignet. Entsprechend wird er seit Jahren als potenzielles Biberhabitat vermutet.
Im Hochwasserschutzprojekt Reussdammsanierung gemachten Flussraumaufweitungen und andere Revitalisierungsmassnahmen von Wasserbau- und Naturschutzseite begünstigen die Situation noch. Ob die Ansiedlung bei diesem dritten Mal erfolgreich sein wird, ist trotzdem nicht vorhersagbar. „Es ist ein tolles Ereignis, wenn diese spannende Wildtierart genau im Jahr der Biodiversität zuwandert“, freut sich Regierungsrätin Manuela Weichelt-Picard. „Die Aktivitäten der Biber bringen Strukturen und Dynamik ins System und schaffen so unmittelbar grössere Vielfalt“, so Weichelt-Picard.
Mehr Biodiversität ist im Naturschutzgebiet natürlich erwünscht. Aus Gebieten mit grossen Bibervorkommen, etwa dem Kanton Thurgau, weiss man aber auch um die Nutzungskonflikte, die die Biber auslösen. Nicht von ungefähr wird der Biber in der Fabel als arbeitswütig charakterisiert. Er fällt Bäume, gräbt Bauten in Hochwasserdämme und Uferböschungen oder staut mit eigenen Dammbauten ganze Seen auf. Gerne vergreift er sich auch an den Feldfrüchten. Allerdings bleiben 95% aller Aktivitäten in einem Band bis 20 m Distanz zum Wasserlauf, also innerhalb des eigentlichen Gewässerraumes. Spätestens aber, wenn ein Hochwasserdamm nicht mehr dicht ist oder ein Reitweg mit einem Wohnkessel untergraben wird, hört der Spass auf.
Im Kanton Zug ist das neu zugewanderte Tier an der Reuss das zweite Bibervorkommen. Ob sich das Tier definitiv ansiedelt, muss sich zeigen. Mittelfristig ist dazu natürlich auch ein Partnertier unverzichtbar. Genügend Weichhölzer und ein mehr oder minder störungsarmer Lebensraum im Naturschutzgebiet sind vorhanden. Die Chancen stehen also gut.
Direktion des Innern
Weitere Auskünfte:
Regierungsrätin Manuela Weichelt-Picard Tel. 041 728 31 70
Peter Ulmann, Amtsleiter Tel. 041 728 35 29 oder Natel 079 322 29 46
Beilagen
Bildfolgen 1 & 2:
Die Originalbilder können beim Amt für Fischerei und Jagd (Tel. 041/728 35 22) nachgefragt
und unter Angabe der Quelle: Amt für Fischerei und Jagd verwendet werden.
Abbildung 13:
Biberreviere im Winter 2007/08 in der Schweiz aus Angst Christoph 2010: Mit dem Biber leben,
Bestandeserhebung 2008; Perspektiven für den Umgang mit dem Biber in der Schweiz. Umwelt-Wissen Nr. 1008. BAFU, Bern (www.umwelt-schweiz.ch/uw-1008-d).