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Nein, Danke! - Meine Geschichte mit der Sucht

Nein, Danke! - Meine Geschichte mit der Sucht
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Mit dieser kurzen Geschichte möchte ich Betroffenen Mut machen. Das ist mir ein grosses Anliegen.

von C.W.

Mein war Vater alkoholkrank. Er ist an einer Leberzirrhose gestorben. Ich habe einen Bruder und zwei Schwestern, die beide älter sind. Ab 1997 ist der Alkohol immer mehr geworden. Es war ein schleichender Prozess. Nach der Arbeit hat für mich der Stammtisch Priorität gehabt. Am Stammtisch wird erzählt und geplaudert und gelacht. Feierabend, Abschalten... Da heisst es schnell "Was willst du schon heim. Bleib doch noch. Nimm doch noch eins!" Ich wollte nicht immer nach der Arbeit zu Hause allein sein.
Ich habe meinen Partner im Restaurant kennengelernt und wir haben uns nach der Arbeit immer im Restaurant getroffen. Das ist wie eine Gewohnheit gewesen. Es hat immer Kollegen gehabt, mit denen hat es Spass gemacht hat zu trinken und lustig zu sein.
Jeden Tag bin ich am Stammtisch gewesen. Ich bin nicht immer betrunken gewesen, aber ich habe gemerkt, dass ich jeden Tag meinen Alkohol brauchte. Erst dann ist es mir gut gegangen.
Irgendwann habe ich gespürt, dass es eigentlich nicht so gut für mich ist. Aber ich habe dieses Gefühl ignoriert und bin weiterhin zum Stammtisch gegangen. Das ging so über einige Zeit, bis es dann mal arg gekracht hat.
Plötzlich habe ich gemerkt, dass ich auch zu Hause den Alkohol gebraucht habe. Zum Kochen habe ich ein Zweierli Weissen getrunken. Es ist gar nicht mehr ohne gegangen. Ich habe ich mich gefragt: "Bin ich eine Alkoholikerin? Ich kann ja gar nicht mehr ohne."
Ich habe aber mit niemandem darüber gesprochen. Mein Partner hat ja auch sein Bier zu Hause getrunken. Ich habe mir dann vorgenommen: "Morgen trinke ich nicht." Was aber nicht funktioniert hat, da es mir eben besser gegangen ist, wenn ich Alkohol getrunken hatte.
Die meisten Leute, die ich kannte, tranken Alkohol. Wenn ich an ein Fest gegangen bin, habe ich vorher schon Alkohol getrunken. Ich konnte mir nicht vorstellen an ein Fest zu gehen, ohne an-geheitert zu sein.

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Der lange Weg aus der Sucht

Alles begann 2003 mit einem Check beim Herzspezialisten. Dieser hat mich auf meine Leber aufmerksam gemacht. Er hat mir gesagt: "Ihre Leber hat sich vergrössert. Trinken Sie Alkohol?" Ich bejahte die Frage. Das hat mir keine Ruhe mehr gelassen und mich immer weiter beschäftigt. Ich erinnerte mich an meinen Vater, der mit 58 an Leberzirrhose gestorben ist, als ich 15 Jahre alt war. Der Arzt hat mir seine Hilfe und die Hilfe seiner Frau angeboten, was ich aber abgelehnt habe. Ich habe gewusst, dass es eine Beratungsstelle gibt, bin aber noch nicht parat gewesen, mich dort zu melden.
Zuerst habe ich auf dem Sozialamt in Cham Hilfe gesucht. Aber ich habe noch nicht den Mut gehabt, über das Alkoholproblem zu sprechen und bin einfach wieder gegangen. Mir ist inzwischen bewusst gewesen, dass ich alleine nicht von der Krankheit oder Sucht loskomme. Einmal, nachdem ich zu viel Alkohol getrunken hatte, bin ich gestürzt und erst wieder im Spital erwacht. Ich habe mich aber nicht getraut, meine Geschwister zu informieren. Mein Partner hat mir dann gesagt: "Willst du es nicht endlich einmal probieren, mit der Suchtberatung Kontakt aufzunehmen?" Es verging aber noch einige Zeit. Ich habe irgendwann einmal ein Telefongespräch mit einer Schwester geführt. Sie merkte, dass es mir nicht gut ging, und fragte mich: "Was ist los mit dir?" Daraufhin antwortete ich ihr: "Du weisst ja, dass ich ein Alkoholproblem habe, was mich sehr beschäftigt." Mit ruhiger Stimme sagte sie zu mir: "Versuche doch fremde Hilfe anzunehmen."
Es verging ein weiteres halbes Jahr. Eines Tages, ich war allein zu Hause, nahm ich das Telefon in die Hand und rief die Suchtberatung in Zug an. Ich erreichte direkt einen Suchtberater. Er klärte mich auf, welche Art von Beratung dort angeboten wird. Ich entschied mich für eine Einzelberatung. Ich traute mich nicht, in eine Selbsthilfegruppe zu gehen.
Der Suchtberater vereinbarte mit mir einen Termin. Mit einem mulmigen Gefühl begann ich meine erste Sitzung. Ich fühle mich bei ihm sofort wohl, weil er so eine Ruhe ausstrahlte. Schon bald konnte ich relativ frei über meine Sorgen und Probleme sprechen. Nach der Sitzung ging ich erleichtert nach Hause. Es hatte sich etwas in mir bewegt. Weitere Termine folgten. Er machte mir verschiedene Vorschläge, wie ich die Therapie bewältigen könnte. Als Erstes führte ich ein Trinktagebuch, in das ich aufschreiben sollte, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit, mit wem zusammen und wie viele Einheiten Alkohol ich getrunken hatte. Das ging einige Zeit gut. Ich war dabei aber nicht immer ehrlich. Irgendwann hatte ich davon genug, weil es einfach zu mühsam war. Das Aufschreiben hatte mir jedoch geholfen, mir Gedanken zu machen und etwas weniger zu trinken. Ich teilte dann meinem Suchtberater mit, dass ich meinen Konsum nicht mehr aufschreiben, sondern nur noch die Gespräche mit ihm führen wollte. In den Gesprächen sagte er mir, welche anderen Möglichkeiten es noch gäbe. Er erwähnte dabei die Behandlungen mit Antabus oder mit Campral. Nach einiger Zeit stoppte ich das Alkoholtrinken, da ich auf keinen Fall Antabus einnehmen wollte. Es war mir zu umständlich, dreimal in der Woche das Medikament in einer Apotheke einzunehmen. Ich wollte ausserdem in meinen Entscheidungen frei bleiben.
Mir war es in den zwei Monaten ohne Alkohol gut gegangen. Ich rief ich meinen Therapeuten an und sagt ihm: "Mir geht es sehr gut. Ich trinke seit zwei Monaten keinen Alkohol mehr. Ich bin glaube ich, darüber hinweg." Mit seiner ruhigen Art teilte er mit, dass das ja wunderbar sei. "Machen Sie weiter so, tragen Sie sich Sorge. Sollte etwas sein, wir sind immer für Sie da."

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Rückfall

Eines Abends waren mein Partner und ich zusammen mit einigen Kollegen in einem Gartenrestaurant. Dort bestellte ich mir wieder einmal ein Zweierli Weisswein. Ich dachte: "Das ist jetzt nicht so schlimm, ich kann ja wieder aufhören." Dem war aber nicht so. Ich habe danach zwar nicht mehr jeden Tag aber ungefähr jeden zweiten Tag getrunken und musste feststellen, dass ich gar nicht mehr so viel vertragen konnte. In meinem Gehirn hat der Weisswein aggressive Gefühle ausgelöst. Plötzlich, ich weiss nicht mehr, wie das passierte, kam es wieder zu einem Sturz. Das Erwachen im Spital war für mich sehr traurig. Ich war enttäuscht von mir selbst und schämte mich. An einem Sonntag konnte ich wieder nach Hause und führte dort ein ruhiges gutes Gespräch mit meinem Partner. Er meinte, ich solle doch die Therapie fortsetzen. Ich entgegnete ihn: "Ich traue mich nicht, meinem Therapeuten zu sagen, was passiert ist." Denn ich schämte mich. Nach einem langen Spaziergang alleine entschied ich mich, wieder auf dem Sozialamt Hilfe zu suchen. Meiner Sozialarbeiterin erzählte ich meine Geschichte. Sie kannte meinen Suchtberater gut und ermutigte mich, die Therapie fortzusetzen. Nach einigen Überlegungen rief ich die Sozialarbeiterin und teilte ihr mit, dass ich die Therapie in der Suchtberatung fortsetzen werde. Ich teilte ihr ausserdem mit, dass es mir ein Anliegen sei, mich ab und zu mit ihr zu treffen, um die Therapie zu verarbeiten und gute Gespräche mit ihr zu führen. Das hat mir sehr geholfen. Ich wagte also den Schritt, zurück zu meinem Suchttherapeuten zu gehen und machte ihm einen Vorschlag: Ich suche mir einen Arzt, der mir regelmässig Blut nimmt und mir Campral verschreibt. Mein Suchtberater unterstützte mich bei dem Vorschlag und trug mir auf, ihm mitzuteilen, wann ich einen Termin mit dem Arzt habe. Nach dem Gespräch ging ich sofort beim Arzt vorbei und erhielt einen Termin. Ich erzählte ihm meine Geschichte und äusserte den Wunsch, mir regelmässig Blut zu nehmen zu lassen.
Bevor ich die Campraltherapie beginnen konnte, musste ich eine Woche lang trocken sein. Es war schwierig, diese Woche ohne Alkohol zu überstehen. Mein Partner hat mich dabei unterstützt. Wir sind in dieser Woche nicht in Restaurants gegangen und mein Partner verzichtete auf das Feierabendbier und das Glas Wein zum Essen. Ich machte ausgiebige Spaziergänge in der Natur. Die Lust auf Alkohol war die ganze Zeit spürbar. Aber ich merkte, dass es mir besser ging ohne Alkohol. Das hat mich gefreut und ich habe mir immer wieder gesagt: "Ich will, dass es mit gut geht." Ich wollte nicht in eine Entzugsklinik eintreten und meine Arbeitsstellen verlieren, weil diese mir Freude machten. Daher war mein Wille, es ohne Klinikaufenthalt zu schaffen sehr stark. Ich ging während der Zeit regelmässig zu meinem Suchtberater und führte mit ihm gute Gespräche, die manchmal auch anstrengend waren. Nach den Sitzungen spürte ich immer wieder, wie gut mir die Gespräche taten. Ich konnte über alles mit ihm reden.

Entdeckungen

Das Campral half mir, etwas in meinem Hirn umzustellen und gab mir ein gutes Gefühl. Jeden Tag musste ich sechs Tabletten nehmen und ich spürte während dieser Zeit positive Veränderungen an mir selber. Auch der Arzt merkte das. Ich kleidete mich zum Beispiel anders. Ich überhaupt mehr Wert auf mein Erscheinungsbild gelegt und machte mich schön. Nach einem Jahr fiel mir auf, dass meine Haut im Gesicht sich positiv verändert hatte. Es sind Leute zu mir gekommen, die haben gesagt: "Du siehst wirklich gut aus." Was mich sehr gefreut hat.
Es kam dann plötzlich die Zeit, als ich meine Turnschuhe angezog und begann zu rennen. Das war während der Campralzeit gewesen. Ich merkte, dass mir das Rennen Freude machte. Ich hatte ganz andere Gedanken. Ich bekam eine solche Freude am Rennen, dass ich 2008 an einem Wettkampf über 10 km teilnahm. Das war ein solch fröhlicher Anlass gewesen, dass ich mit dem Rennen weitermachte. Das gab mir solche Kraft und ich war mit den Gedanken beim Sport.
In dieser Zeit habe ich auch das Malen für mich entdeckt. Mein Partner hat schon immer gerne gezeichnet. Daher stand auf dem Tisch eine Schachtel mit Buntstiften. Eines Tages nahm ich ein Blatt Papier und begann mit den Stiften zu malen. Ich merkte, dass es mir eine totale innere Ruhe gab, mich glücklich und zufrieden machte. Ich war ganz überrascht, dass mir das Malen so viel geben konnte. Das wäre mir während der Alkoholzeiten nie in den Sinn gekommen. Ich konnte eine ganz neue Seite in mir entdecken, die mir sehr viel Freude bereitete und immer noch bereitet.

Verführungen

Dazumal arbeite ich in einer Firma, in der aus Sparmassnahmen 20 Mitarbeitende entlassen wurden. Ich befand mich darunter. Ich hatte damals Angst, dass ich wieder zum Alkohol greifen könnte. Daher nahm ich mit meinem Arzt Kontakt auf und äusserte den Wunsch, die Campraltherapie wieder aufzunehmen. Er unterstützte mich sofort bei meinem Vorhaben. Ich nahm ein weiteres halbes Jahr Campral ein. Das ging gut. In der Weihnachtszeit jedoch fiel es mir schwer, auf Alkohol zu verzichten. Mit den Campral konnte ich diese Lust gut überwinden.
Mit unseren Kolleginnen und Kollegen vom Minigolf machten wir einmal eine Reise ins Tessin. Denen fiel es auf, dass ich keinen Alkohol trank. Sie forderten mich auf: "Komm, nimm doch auch ein Glas Wein." Ich konnte gut Nein sagen, stand aber sofort auf und lief vom Tisch weg. Nach ein paar Minuten kehrte ich wieder an den Tisch zurück. Mein Partner wusste genau, warum ich aufgestanden war. Das machte ich in der folgenden Zeit immer, wenn mich jemand fragte, ob ich nicht auch etwas trinken wolle.
Eines Tages fragte mich ein guter Bekannter, mit dem ich auch am Stammtisch gesessen hatte, wie es mir gelungen sei, vom Alkohol wegzukommen. Ich merkte, es war ihm ernst mit seiner Frage. Darauf erzählte ich ihm meine Geschichte. Er hörte ganz aufmerksam zu. Diese Person darf jetzt aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr trinken.

Entzugserscheinungen wie Zittern, Schweissausbrüche oder Schlafstörungen hatte ich nie, aber Lust zum Trinken hatte ich während der Campraltherapie immer mal wieder. Ich wusste jedoch, dass es mir sehr mies gehen würde, wenn ich getrunken hätte. Ich wollte das einfach nicht, denn ich fühlte mich so wohl ohne Alkohol und war auf meine Art einfach glücklich.
Eine Freundin wusste, dass ich eine Therapie machte, und sagte mir: "Versuche doch nur am Wochenende zum Essen ein Glas Wein zu trinken." Ich verneinte das heftig. "Mein Ziel ist, gar nichts mehr zu trinken", sagte ich ihr. "Ich kenne mich gut. Ich kann nicht kontrolliert Alkohol trinken." Ich war auf einem guten Weg und wollte auf diesem Weg bleiben. Auch meiner Mutter zuliebe, die ich sehr liebte. Leider verstarb sie im Jahr 2010.
Diese Freundin hat oft ein Cüpli getrunken, wenn wir zusammen waren. Wir sahen uns regelmässig. Sie trank immer etwas Alkoholisches. Plötzlich fiel mir auf, dass sie bei unseren Treffen Wasser oder Café trank. Das war für mich eine grosse Unterstützung.

Ein neues Lebensgefühl

Nach drei Jahren ohne einen Schluck Alkohol hat es eine Zeit gegeben, in der ich das Bedürfnis entwickelt habe, meinen Helfern danke zu sagen. Ich bin bei allen vorbeigegangen, um mich persönlich für die Unterstützung zu bedanken.
Der Sport hat mir weiterhin geholfen, trocken zu bleiben und ich bin auch heute noch begeistert davon. Heute habe ich ein gutes Gefühl für meinen Körper entwickelt. Ich laufe nicht mehr auf Zeit, sondern in meinem eigenen Tempo. Ich fühle die Freude am Leben und an der Natur ganz intensiv. Ich bin ein anderer Mensch geworden, seit ich keinen Alkohol mehr trinke.
Abschliessend möchte ich noch sagen, dass man nicht nachlässig mit dem Thema Alkohol werden darf. Das Nein sagen geht meistens ganz einfach. Immer wieder gibt es Situationen, in denen ich gefragt werde, warum ich keinen Alkohol trinke und wo man versucht, mich dazu zu überreden. Inzwischen kann ich auch in Gesellschaft mit anderen, die Alkohol trinken, lustig sein.

 

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