Navigieren auf Kanton Zug

In­halts­na­vi­ga­ti­on auf die­ser Seite

Na­vi­ga­ti­on

Ge­richts­pra­xis

Staats-​ und Ver­wal­tungs­recht

Ver­fah­rens­recht

Grund­rech­te

Art. 16 Abs. 2 BV, Art. 34 Abs. 2 BV und Art. 8 Abs. 1 BV, § 22 GSW, § 13 Abs. 1 Re­kla­me­re­gle­ment Stadt Zug

§ 16 Abs. 1 PolG, Art. 10 Abs. 2 BV, Art. 36 BV

Re­ges­te:

§ 16 Abs. 1 PolG – Sach­ver­halts­über­prü­fung an­hand von Vi­deo­ma­te­ri­al der Po­li­zei – Ent­ge­gen der Be­haup­tung des Be­schwer­de­füh­rers zei­gen Auf­nah­men, dass sich am 23. Ja­nu­ar 2016 in der Stadt Zug ein De­mons­tra­ti­ons­zug for­mier­te, der Be­schwer­de­füh­rer sich die­sem be­wusst an­schloss und er die sich mehr­fach bie­ten­den Ge­le­gen­hei­ten nicht nutz­te, um die Grup­pe der von der Po­li­zei um­stell­ten Be­tei­lig­ten zu ver­las­sen (Erw. 3).

Art. 10 Abs. 2 BV und Art. 36 BV – Das gegen den Be­schwer­de­füh­rer aus­ge­spro­che­ne 24-​stündige Rayon­ver­bot be­ruh­te auf einer ge­setz­li­chen Grund­la­ge, war im öf­fent­li­chen In­ter­es­se und ver­hält­nis­mäs­sig (Erw. 4).

Aus dem Sach­ver­halt:

Am 23. Ja­nu­ar 2016 fand in der Zuger In­nen­stadt eine un­be­wil­lig­te De­mons­tra­ti­on gegen das Welt­wirt­schafts­fo­rum (WEF) statt. Im Ver­lauf die­ser Kund­ge­bung wurde X. von der Zuger Po­li­zei im Rah­men des Ein­sat­zes «PIAZ­ZA» an­ge­hal­ten und kon­trol­liert. Ge­stützt auf § 16 des kan­to­na­len Po­li­zei­ge­set­zes sprach die Zuger Po­li­zei in ihrer Ver­fü­gung vom 23. Ja­nu­ar 2016 gegen ihn eine Weg­wei­sung und Fern­hal­tung aus, wel­che für das Ge­mein­de­ge­biet der Stadt Zug wäh­rend 24 Stun­den, d.h. von Sams­tag, 23. Ja­nu­ar 2016, 17.00 Uhr, bis Sonn­tag, 24. Ja­nu­ar 2016, 17.00 Uhr, galt.

Da­ge­gen erhob X. am 5. Fe­bru­ar 2016 Ver­wal­tungs­be­schwer­de beim Re­gie­rungs­rat des Kan­tons Zug, der die Be­schwer­de am 6. De­zem­ber 2016 ab­wies. Am 11. Ja­nu­ar 2017 reich­te X. beim Ver­wal­tungs­ge­richt des Kan­tons Zug Be­schwer­de ein und be­an­trag­te die Auf­he­bung des Re­gie­rungs­rats­be­schlus­ses vom 6. De­zem­ber 2016, die Be­zeich­nung des Rayon­ver­bots als un­ver­hält­nis­mäs­sig und des­sen rück­wir­ken­de Auf­he­bung, unter Kosten-​ und Ent­schä­di­gungs­fol­ge zu Las­ten der Vor­in­stanz.

Aus den Er­wä­gun­gen:

(...)

2. An­fech­tungs­ge­gen­stand bil­det in casu die Ver­fü­gung «Rayon­ver­bot Ge­mein­de Zug» der Zuger Po­li­zei vom 23. Ja­nu­ar 2016, womit sie den Be­schwer­de­füh­rer ge­stützt auf § 16 des Po­li­zei­ge­set­zes des Kan­tons Zug vom 30. No­vem­ber 2006 (BGS 512.1; PolG) für die Dauer von 24 Stun­den, d.h. vom Sams­tag, 23. Ja­nu­ar 2016, 17.00 Uhr, bis Sonn­tag, 24. Ja­nu­ar 2016, 17.00 Uhr, aus dem Ge­biet der Stadt Zug weg­ge­wie­sen hat. Im We­sent­li­chen rügt der Be­schwer­de­füh­rer, die Zuger Po­li­zei und die Vor­in­stanz seien von einem un­kor­rek­ten Sach­ver­halt aus­ge­gan­gen und die an­ge­foch­te­ne Ver­fü­gung sei un­ver­hält­nis­mäs­sig. Ob der Be­schwer­de­füh­rer heute noch ein ak­tu­el­les Rechts­schutz­in­ter­es­se an der Auf­he­bung der an­ge­foch­te­nen Ver­fü­gung hat, kann of­fen­blei­ben, da sich die mit der Be­schwer­de auf­ge­wor­fe­ne Frage je­der­zeit und unter glei­chen oder ähn­li­chen Um­stän­den wie­der stel­len könn­te, an ihrer Be­ant­wor­tung wegen ihrer grund­sätz­li­chen Be­deu­tung ein hin­rei­chen­des öf­fent­li­ches In­ter­es­se be­steht und eine recht­zei­ti­ge ge­richt­li­che Prü­fung im Ein­zel­fall kaum je mög­lich wäre (vgl. BGE 135 I 79 Erw. 1.1 mit Ver­weis auf BGE 131 III 670 Erw. 1.2). In der vor­lie­gen­den An­ge­le­gen­heit ist somit als ers­tes auf den um­strit­te­nen Sach­ver­halt ein­zu­ge­hen und zu prü­fen, was genau am 23. Ja­nu­ar 2016 ge­sche­hen ist (vgl. Erw. 3 nach­fol­gend). Des Wei­te­ren griff die Zuger Po­li­zei un­be­strit­te­n­er­mas­sen mit der An­ord­nung der 24-​stündigen Weg­wei­sung und Fern­hal­tung vom Ge­mein­de­ge­biet der Stadt Zug in die ver­fas­sungs­mäs­sig ga­ran­tier­ten Frei­heits­rech­te des Be­schwer­de­füh­rers, na­ment­lich in des­sen Be­we­gungs­frei­heit ge­mäss Art. 10 Abs. 2 der Bun­des­ver­fas­sung der Schwei­ze­ri­schen Eid­ge­nos­sen­schaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101), ein. Da ein sol­cher Ein­griff unter den Vor­aus­set­zun­gen von Art. 36 BV zu­läs­sig ist, ist dem­nach zu prü­fen, ob die Ver­fü­gung «Rayon­ver­bot Ge­mein­de Zug» vom 23. Ja­nu­ar 2016 der Zuger Po­li­zei den Vor­aus­set­zun­gen von Art. 36 BV zu ge­nü­gen ver­mag. Die Grund­rechts­ein­schrän­kung be­darf ins­be­son­de­re einer ge­setz­li­chen Grund­la­ge, muss durch ein öf­fent­li­ches In­ter­es­se oder durch den Schutz von Grund­rech­ten Drit­ter ge­recht­fer­tigt sein und hat den Grund­satz der Ver­hält­nis­mäs­sig­keit zu wah­ren (vgl. Erw. 4 nach­fol­gend).

3. Als ers­tes ist auf den um­strit­te­nen Sach­ver­halt ein­zu­ge­hen und zu prü­fen, was genau am 23. Ja­nu­ar 2016 ge­sche­hen ist.

a) Der Be­schwer­de­füh­rer macht gel­tend, dass die sich am 23. Ja­nu­ar 2016 auf dem Bun­des­platz vor dem Ein­gang zum Coop City auf­hal­ten­den De­mons­trie­ren­den kei­nen De­mons­tra­ti­ons­zug hät­ten for­mie­ren wol­len. Als sie sich in Rich­tung Bahn­hof in Be­we­gung ge­setzt hät­ten, sei die Kund­ge­bung be­reits be­en­det ge­we­sen und sie hät­ten dort le­dig­lich den Zug be­stei­gen und nach Hause fah­ren wol­len.

Dem vor­lie­gen­den Bild­ma­te­ri­al ist zu ent­neh­men, dass die vor dem Ein­gang zum Coop City ver­sam­mel­ten De­mons­trie­ren­den Trans­pa­ren­te ge­hal­ten haben (vgl. bei­spiels­wei­se das auf der Vi­deo­se­quenz 1 gut sicht­ba­re Trans­pa­rent mit dem roten Stern, ab 0'00''; vgl. auch Vi­deo­se­quenz 2, ab 0'0''). Um 15.26 Uhr setz­te sich die Grup­pe in Rich­tung Bahn­hof in Be­we­gung, wobei die Zu­schau­er eine Gasse bil­de­ten, um die De­mons­trie­ren­den durch­zu­las­sen (Vi­deo­se­quenz 1, ab 0'29''). Sie be­weg­ten sich eng zu­sam­men­ge­schlos­sen mit ent­fal­te­ten Trans­pa­ren­ten in Rich­tung Bahn­hof, wobei eine Per­son ein Me­ga­phon trug. An der Spit­ze der Grup­pe mar­schier­te ein Herr mit grau­er Woll­müt­ze mit, des­sen zum Mit­mar­schie­ren auf­for­dern­de Arm­be­we­gung mit win­ken­der Hand auf der Vi­deo­se­quenz 2 deut­lich zu er­ken­nen ist (ab 0'10''). Aus dem Dar­ge­stell­ten ist un­miss­ver­ständ­lich zu schlies­sen, dass die De­mons­trie­ren­den einen De­mons­tra­ti­ons­zug so­wohl be­ab­sich­tigt als auch tat­säch­lich durch­ge­führt haben. Wenn sie nur ein­zeln nach Hause hät­ten gehen wol­len, hät­ten sie nicht Zei­chen zum Mit­mar­schie­ren ge­ge­ben und wären nicht in einer engen For­ma­ti­on mit auf­ge­roll­ten Trans­pa­ren­ten und einem Me­ga­phon in Rich­tung Bahn­hof mar­schiert. Das Vor­brin­gen des Be­schwer­de­füh­rers, wo­nach die De­mons­trie­ren­den kei­nen De­mons­tra­ti­ons­zug hät­ten for­mie­ren wol­len, er­weist sich als ak­ten­wid­rig.

b) Der Be­schwer­de­füh­rer wirft der Zuger Po­li­zei vor, sie habe zu Un­recht auf eine Un­ter­schei­dung zwi­schen den ei­gent­li­chen Or­ga­ni­sa­to­ren der Kund­ge­bung und den räum­lich di­stan­ziert auf­ge­stell­ten Zu­hö­rern auf dem Bun­des­platz ver­zich­tet.

Vorab ist dem Be­schwer­de­füh­rer ent­ge­gen zu hal­ten, dass er weder von der Zuger Po­li­zei noch vom Re­gie­rungs­rat als Or­ga­ni­sa­tor der Kund­ge­bung be­zeich­net wor­den ist. Des Wei­te­ren ist zu er­wäh­nen, dass sich die vor dem Ein­gang des Coop City auf dem Bun­des­platz ver­sam­mel­ten De­mons­tran­ten um 15.26 Uhr durch eine Zu­schau­er­gas­se in Rich­tung Bahn­hof in Be­we­gung ge­setzt haben (Vi­deo­se­quenz 1, ab 0'29''). Zu die­sem Zeit­punkt stand der Be­schwer­de­füh­rer in der Zu­schau­er­men­ge (mit einem roten Punkt mar­kiert, Vi­deo­se­quenz 2, ab 0'12''). Wäh­rend sich der Be­schwer­de­füh­rer dem De­mons­tra­ti­ons­zug an­schloss, blie­ben an­de­re Zu­schau­er um ihn herum ste­hen oder ent­fern­ten sich vom Ge­sche­hen (Vi­deo­se­quenz 2, ab 0'27''). Die Po­li­zei stopp­te den sich Rich­tung Bahn­hof be­we­gen­den De­mons­tra­ti­ons­zug auf der Höhe der Par­fü­me­rie Os­wald (Vi­deo­se­quenz 2, ab 0'37''). Die Zu­schau­er und Pas­san­ten waren von die­ser Mass­nah­me vor­erst noch nicht be­trof­fen und konn­ten sich auf dem Bun­des­platz nach wie vor frei be­we­gen (Vi­deo­se­quenz 1 ab 1'24''). Von der an­de­ren Seite des Bun­des­plat­zes her, d.h. aus Rich­tung Wa­ren­haus Manor, rück­te die Po­li­zei lang­sam auf und kes­sel­te die De­mons­trie­ren­den ein (Vi­deo­se­quenz 2, ab 0'54''). Wäh­rend der Um­stel­lung be­stand für alle Per­so­nen – auch für die Be­tei­lig­ten – ohne wei­te­res die Mög­lich­keit, sich in Rich­tung Bun­des­platz zu ent­fer­nen. Ins­be­son­de­re di­rekt vor dem Sun­ri­se Laden konn­ten die Pas­san­ten pro­blem­los an den vor­rü­cken­den Po­li­zis­ten vor­bei­ge­hen (Vi­deo­se­quenz 2, 1'05'' bis 2'00''). Schliess­lich bil­de­te die Po­li­zei auf dem Bun­des­platz eine äus­se­re Ord­nungs­ket­te, um Zu­schau­er und Pas­san­ten von den De­mons­trie­ren­den und Be­tei­lig­ten zu tren­nen (Vi­deo­se­quenz 5). Das vor­han­de­ne Vi­deo­ma­te­ri­al zeigt ein­deu­tig und un­miss­ver­ständ­lich auf, dass sich der Be­schwer­de­füh­rer dem De­mons­tra­ti­ons­zug be­wusst an­ge­schlos­sen hat. Bei der po­li­zei­li­chen Um­stel­lung ver­zich­te­te er zudem dar­auf, sich um­ge­hend von der Grup­pe der De­mons­trie­ren­den zu ent­fer­nen, um damit der po­li­zei­li­chen Wahr­neh­mung ent­ge­gen zu wir­ken, Teil des De­mons­tra­ti­ons­um­zugs zu sein. Auch im An­schluss an die Um­stel­lung wand­te er sich nicht an die Po­li­zei, um sie dar­über auf­zu­klä­ren, dass er le­dig­lich ein un­be­tei­lig­ter Zu­hö­rer sei und zu sei­nem Fahr­rad bzw. nach Hause wolle. Der Be­schwer­de­füh­rer ver­blieb dem­nach be­wusst bei den De­mons­trie­ren­den. Schliess­lich nah­men auch die Re­por­ter des Fern­seh­sen­ders Tele 1 den Be­schwer­de­füh­rer als einen am De­mons­tra­ti­ons­um­zug be­tei­lig­ten De­mons­tran­ten wahr und stell­ten ihn den Fern­seh­zu­schau­ern als sol­chen vor (vgl. ein­ge­blen­de­te Zeile «De­mons­trant», Vi­deo­se­quenz 7, ab 0'08''). Er ver­zich­te­te ge­gen­über dem Fern­seh­sen­der auf den Hin­weis, dass er nicht zu den De­mons­tran­ten ge­hö­re. Es bleibt mit­hin fest­zu­hal­ten, dass die Po­li­zei ent­ge­gen den an­ders­lau­ten­den Äus­se­run­gen des Be­schwer­de­füh­rers zwi­schen am De­mons­tra­ti­ons­zug Be­tei­lig­ten und Un­be­tei­lig­ten un­ter­schie­den hat. Bei den Un­be­tei­lig­ten han­del­te es sich um schau­lus­ti­ge Zu­hö­rer, wel­che sich klar von der un­be­wil­lig­ten De­mons­tra­ti­on di­stan­zier­ten. Dem­ge­gen­über schlos­sen sich die Be­tei­lig­ten be­wusst dem De­mons­tra­ti­ons­zug an und be­müh­ten sich bei der po­li­zei­li­chen Um­stel­lung nicht um eine um­ge­hen­de Ent­fer­nung von der Grup­pe, um zu ver­hin­dern, als Teil von ihr wahr­ge­nom­men zu wer­den. Das er­wähn­te Bild­ma­te­ri­al hat ein­deu­tig und un­miss­ver­ständ­lich er­ge­ben, dass die Po­li­zei den Be­schwer­de­füh­rer zu Recht als am De­mons­tra­ti­ons­um­zug «Be­tei­lig­ter» qua­li­fi­ziert hat. Seine dies­be­züg­li­che Rüge er­weist sich somit als un­be­grün­det.

c) Des Wei­te­ren rügt der Be­schwer­de­füh­rer, es habe keine po­li­zei­li­chen An­wei­sun­gen an die auf dem Bun­des­platz wei­len­den Per­so­nen ge­ge­ben, d.h. die Po­li­zei habe diese nicht über Laut­spre­cher zum Ver­las­sen des Bun­des­plat­zes in­nert einer be­stimm­ten Frist auf­ge­for­dert. Es habe somit keine Op­ti­on ge­ge­ben, sich an po­li­zei­li­che An­ord­nun­gen zu hal­ten und damit einer Um­zin­ge­lung zu ent­ge­hen. Schliess­lich habe es kei­nen «Ab­zugs­kor­ri­dor» ge­ge­ben bzw. die Po­li­zei habe ihm das Ver­las­sen des Bun­des­plat­zes nicht er­laubt.

Dem Be­schwer­de­füh­rer ist das vor­lie­gen­de Bild­ma­te­ri­al ent­ge­gen zu hal­ten. Die­sem ist zu ent­neh­men, dass sich um 15.26 Uhr am süd­li­chen Rand des Bun­des­plat­zes (in Rich­tung See) meh­re­re Po­li­zis­ten auf­ge­hal­ten und die Ver­samm­lung der De­mons­tran­ten vor dem Ein­gang des Coop City be­ob­ach­tet haben. Zu die­sem Zeit­punkt konn­ten sich die Men­schen auf dem Bun­des­platz frei be­we­gen. Als sich der De­mons­tra­ti­ons­zug in Rich­tung Bahn­hof in Be­we­gung setz­te, folg­ten ihm diese Po­li­zis­ten lang­sam (Vi­deo­se­quenz 1, ins­be­son­de­re ab 1'12''). Auf der Höhe der Par­fü­me­rie Os­wald stopp­te die Po­li­zei den De­mons­tra­ti­ons­zug (Vi­deo­se­quenz 2, ab 0'37''). Von der an­de­ren Seite, d.h. aus Rich­tung See, rück­ten die Po­li­zis­ten lang­sam vor und be­gan­nen, die De­mons­trie­ren­den und die dort ver­blie­be­nen Be­tei­lig­ten zu um­stel­len. Wäh­rend des Stop­pens und der ge­ord­ne­ten und ruhig ver­lau­fen­den Um­stel­lung des De­mons­tra­ti­ons­zugs be­stand so­wohl für Be­tei­lig­te als auch für Un­be­tei­lig­te ohne Wei­te­res die Mög­lich­keit, sich in Rich­tung Bun­des­platz/See zu ent­fer­nen und sich hin­ter die von dort her schlies­sen­den Reihe der Ord­nungs­dienst­kräf­te zu be­ge­ben (Vi­deo­se­quenz 1, ab 1'24''; Vi­deo­se­quenz 2, 1'05'' bis 1'45''). Die Po­li­zei for­der­te die an­we­sen­den un­be­tei­lig­ten Zu­schau­er und Pas­san­ten sogar teil­wei­se ein­zeln auf, sich zu ent­fer­nen (vgl. bei­spiels­wei­se Vi­deo­se­quenz 3, worin zwei junge Frau­en von Po­li­zis­ten zum Wei­ter­ge­hen auf­ge­for­dert wur­den). Die­je­ni­gen, wel­che diese Ge­le­gen­heit nutz­ten, hat­ten in der Folge auch keine wei­te­ren po­li­zei­li­chen Mass­nah­men zu ge­wär­ti­gen. In die­sem Zu­sam­men­hang ist auf die auf der Vi­deo­se­quenz deut­lich sicht­ba­re Per­son mit hell­grü­ner Mütze zu ver­wei­sen, wel­che sich un­mit­tel­bar neben dem Be­schwer­de­füh­rer auf­ge­hal­ten hat und dann un­ge­hin­dert aus der Um­stel­lung her­aus­ge­gan­gen ist. Wie die Auf­nah­me zeigt, hat sich der Be­schwer­de­füh­rer dem­ge­gen­über in Rich­tung Lit­fass­säu­le be­wegt und ist dort ste­hen ge­blie­ben (Vi­deo­se­quenz 2, 0'47'' bis 1'03''). Das Dar­ge­stell­te ver­deut­licht, dass der Be­schwer­de­füh­rer von der Mög­lich­keit, die Um­stel­lung zu ver­las­sen bzw. gar nicht erst hin­ein zu ge­lan­gen, kei­nen Ge­brauch ge­macht hat und be­wusst bei den De­mons­tran­ten ver­blie­ben ist. Auch im Ver­lauf der Um­stel­lung der De­mons­trie­ren­den und Be­tei­lig­ten durch die Po­li­zei konn­ten auf der Höhe des Sun­ri­se Shops meh­re­re Per­so­nen durch einen Kor­ri­dor un­ge­hin­dert die Um­stel­lung ver­las­sen, was auf den Vi­deo­auf­nah­men am rech­ten Bild­rand deut­lich er­kenn­bar ist (Vi­deo­se­quenz 2, 1'37'' bis 2'10''). Ent­ge­gen sei­nen an­ders­lau­ten­den Aus­füh­run­gen hätte der Be­schwer­de­füh­rer somit zu sei­nem Fahr­rad, wel­ches beim Schul­haus Neu­stadt par­kiert war, gehen kön­nen, wenn er dies auch tat­säch­lich ge­wollt hätte. Ob­wohl der Po­li­zei­ein­satz und die sich an­bah­nen­de Um­stel­lung ganz of­fen­sicht­lich und – spä­tes­tens zu die­sem Zeit­punkt – nicht mehr zu über­se­hen waren, ver­blieb der Be­schwer­de­füh­rer bei der Lit­fass­säu­le und be­ob­ach­te­te ruhig das Ge­sche­hen (gut sicht­bar in Vi­deo­se­quenz 2, 2'15''). An die­sem Um­stand ver­mag auch nichts zu än­dern, dass nach sei­nen An­ga­ben eine drit­te Po­li­zei­ket­te auf der nord­west­li­chen Seite des Bun­des­plat­zes (beim Ve­lo­park­platz des Coop) vor­ge­rückt sein soll. Nach der Stop­pung des De­mons­tra­ti­ons­zu­ges und der Voll­endung der Um­stel­lung kün­dig­te die Po­li­zei den Um­stell­ten um 15.51 Uhr durch ein Me­ga­phon Per­so­nen­kon­trol­len und einen all­fäl­li­gen po­li­zei­li­chen Ge­wahr­sam ge­stützt auf § 11 PolG an. Zum Zeit­punkt die­ser Durch­sa­ge stand der Be­schwer­de­füh­rer bei den Be­tei­lig­ten (Vi­deo­se­quenz 4, 0'30''). Um 15.57 Uhr setz­te die Po­li­zei den Um­stell­ten ein Ul­ti­ma­tum und ge­währ­te ihnen eine fünf­mi­nü­ti­ge Frist, um frei­wil­lig aus der Grup­pe her­aus­zu­tre­ten und sich einer Per­so­nen­kon­trol­le zu un­ter­zie­hen. Nach Ab­lauf die­ser fünf Mi­nu­ten werde sie die Leute ein­zeln «her­aus­pflü­cken». Zu die­sem Zeit­punkt be­fand sich der Be­schwer­de­füh­rer immer noch in der Grup­pe (vgl. Vi­deo­se­quenz 4, 0'57''), nutz­te diese Ge­le­gen­heit zum Abzug nicht und ver­blieb vor Ort. Spä­tes­tens zu die­sem Zeit­punkt hätte er, wäre er wie be­haup­tet als Un­be­tei­lig­ter um­stellt ge­we­sen, eine so­for­ti­ge Re­ak­ti­on zei­gen und die an­we­sen­den Po­li­zis­ten dar­auf auf­merk­sam ma­chen müs­sen, dass er rein zu­fäl­lig und fälsch­li­cher­wei­se in die Um­stel­lung ge­ra­ten sei und er sich von die­ser Grup­pe di­stan­zie­ren möch­te. Es bleibt daher fest­zu­stel­len, dass sich seine Rüge, wo­nach er auf­grund des ra­schen Vor­rü­ckens der Po­li­zei­kräf­te gar keine Be­denk­zeit ge­habt habe, um sich aus dem «Kes­sel» zu ent­fer­nen, als ak­ten­wid­rig er­weist. Sämt­li­che auf dem Bun­des­platz an­we­sen­den Per­so­nen (Be­tei­lig­te und Un­be­tei­lig­te) hat­ten mehr­fach die Ge­le­gen­heit, den Platz zu ver­las­sen, was auch für die Zeit der Um­stel­lung gilt (dann al­ler­dings mit einer Per­so­nen­kon­trol­le ver­bun­den), so­dass sich die vom Be­schwer­de­füh­rer er­ho­be­nen Rügen als un­be­grün­det er­wei­sen.

d) Zur Stüt­zung sei­ner Sach­ver­halts­dar­stel­lung ver­weist der Be­schwer­de­füh­rer zudem auf die Ein­stel­lungs­ver­fü­gung der Staats­an­walt­schaft des Kan­tons Zug vom 15. No­vem­ber 2016 (Ver­fah­ren 3A 2016 3123; BF-​act. 2). Sie habe fest­ge­stellt, dass er sich nicht in der An­samm­lung der De­mons­tran­ten auf­ge­hal­ten habe, wie dem von der Zuger Po­li­zei er­stell­ten Verhaltens-​ bzw. Be­we­gungs­bild zu ent­neh­men sei. Er sei viel­mehr als Be­ob­ach­ter der De­mons­tra­ti­on bzw. der Ge­scheh­nis­se auf dem Bun­des­platz zu er­ken­nen (vgl. Erw. 3 der Ein­stel­lungs­ver­fü­gung).

Dem Be­schwer­de­füh­rer ist unter Ver­weis auf das vor­han­de­ne Bild­ma­te­ri­al ent­ge­gen zu hal­ten, dass diese Sach­ver­halts­fest­stel­lung of­fen­sicht­lich un­zu­tref­fend ist (vgl. dazu die Aus­füh­run­gen in den Erw. 3a bis 3c), so­dass er aus der Ein­stel­lungs­ver­fü­gung der Staats­an­walt­schaft vom 15. No­vem­ber 2016 nichts zu sei­nen Guns­ten ab­zu­lei­ten ver­mag. Le­dig­lich der Voll­stän­dig­keit hal­ber ist zudem dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die Staats­an­walt­schaft zu klä­ren hatte, ob sich der Be­schwer­de­füh­rer einer straf­ba­ren Hand­lung, d.h. in casu einer Wi­der­hand­lung gegen das Ge­setz über Stras­sen und Wege vom 30. Mai 1996 (GSW, BGS 751.14), schul­dig ge­macht hat. Sie ist der An­sicht, dass dies nicht der Fall sei und stell­te daher die Straf­un­ter­su­chung gegen den Be­schwer­de­füh­rer ein. Dem­ge­gen­über geht es im vor­lie­gen­den Fall um die si­cher­heits­po­li­zei­li­che Mass­nah­me einer Weg­wei­sung und/oder Fern­hal­tung ge­mäss § 16 PolG, wel­che als prä­ven­ti­ves Mit­tel im We­sent­li­chen die Ver­hin­de­rung von Straf­ta­ten be­zweckt. Für die An­ord­nung einer Weg­wei­sung/Fern­hal­tung ist somit keine straf­ba­re Hand­lung vor­aus­ge­setzt. Um die öf­fent­li­che Si­cher­heit und Ord­nung auf­recht zu er­hal­ten bzw. wie­der­her­zu­stel­len wird eine Ein­schrän­kung der Bewegungs-​ und Ver­samm­lungs­frei­heit in Kauf ge­nom­men, al­ler­dings müs­sen dafür be­stimm­te Vor­aus­set­zun­gen er­füllt sein (ge­setz­li­che Grund­la­ge, Wah­rung der Ver­hält­nis­mäs­sig­keit und be­stehen­des öf­fent­li­ches In­ter­es­se, vgl. dazu Erw. 4 nach­fol­gend). Am 23. Ja­nu­ar 2016 muss­te die Po­li­zei be­ur­tei­len, ob die er­wähn­ten Vor­aus­set­zun­gen zum Er­lass einer Weg­wei­sung/Fern­hal­tung des Be­schwer­de­füh­rers ge­stützt auf § 16 PolG er­füllt sind oder nicht. Ob er sich eines straf­ba­ren Ver­hal­tens schul­dig ge­macht hat oder nicht, ist eine an­de­re Frage. Der Be­schwer­de­füh­rer ver­mag daher weder aus der Sach­ver­halts­fest­stel­lung der Staats­an­walt­schaft noch aus der Ein­stel­lung der Straf­un­ter­su­chung ab­zu­lei­ten, dass das prä­ven­tiv an­ge­ord­ne­te Rayon­ver­bot als un­recht­mäs­sig bzw. als un­ver­hält­nis­mäs­sig zu qua­li­fi­zie­ren wäre.

e) Schliess­lich bringt der Be­schwer­de­füh­rer vor, das von der Vor­in­stanz zi­tier­te Ur­teil des Bun­des­ge­richts vom 20. April 2016 (BGE 142 I 121) be­zie­he sich auf eine so­ge­nann­te 1. Mai-​Nachdemo in Zü­rich, wel­che den Ruf von ge­walt­sa­men Aus­ein­an­der­set­zun­gen habe. Dies tref­fe je­doch auf die Zuger Kund­ge­bung vom 23. Ja­nu­ar 2016 nicht zu, so­dass die Vor­in­stanz dar­aus nichts zu ihren Guns­ten ab­zu­lei­ten ver­möch­te.

Dem Be­schwer­de­füh­rer ist ent­ge­gen zu hal­ten, dass er die Schluss­fol­ge­rung, wel­che die Vor­in­stanz aus dem er­wähn­ten Ur­teil ge­zo­gen hat, un­kor­rekt wie­der­gibt. Sie wies im vor­lie­gen­den Zu­sam­men­hang im We­sent­li­chen dar­auf hin, dass die Po­li­zei im er­wähn­ten Ur­teil auf­grund der Um­stän­de – die Per­son sei einem Auf­ruf zur Ver­samm­lung an einem be­stimm­ten Ort ge­folgt und habe sich dort in einer ent­spre­chen­den Men­schen­men­ge auf­ge­hal­ten – kor­rek­ter­wei­se davon aus­ge­gan­gen sei, dass die Per­son an einer un­be­wil­lig­ten De­mons­tra­ti­on teil­neh­men könn­te (Ver­nehm­las­sung, Ziff. 34). Es geht somit um die po­li­zei­li­che Be­ur­tei­lung, ob je­mand an einer un­be­wil­lig­ten Kund­ge­bung teil­neh­men könn­te oder nicht. Ob es sich um eine 1. Mai-​Nachdemonstration oder um eine an­de­re Kund­ge­bung han­delt, ist dabei nicht ent­schei­dend, so­dass sich die Rüge des Be­schwer­de­füh­rers als un­be­grün­det er­weist. Dass die Zuger Kund­ge­bung nicht den «Ruf von ge­walt­sa­men Aus­ein­an­der­set­zun­gen» ge­habt habe, ist eben­so­we­nig ent­schei­dend, da die Aus­schrei­tungs­ge­fahr bei den ge­ge­be­nen Um­stän­den auch dem Be­schwer­de­füh­rer klar er­kenn­bar sein muss­te. Tat­säch­lich war aber schon auf­grund der im Vor­feld der De­mons­tra­ti­on auf­ge­häng­ten, mo­bi­li­sie­ren­den Pla­ka­ten und der in der Pres­se ge­äus­ser­ten Be­fürch­tun­gen und des an­ge­kün­dig­ten Ein­sat­zes von Po­li­zei­kräf­ten gegen die un­be­wil­lig­te De­mons­tra­ti­on mit der Mög­lich­keit von Aus­ein­an­der­set­zun­gen zu rech­nen. Le­dig­lich der Voll­stän­dig­keit hal­ber sei an die­ser Stel­le er­wähnt, dass das Bun­des­ge­richt das po­li­zei­li­che Vor­ge­hen im Zür­cher Fall an­ge­sichts der kon­kre­ten Um­stän­de als ver­hält­nis­mäs­sig qua­li­fi­ziert hat. Der Be­trof­fe­ne hatte zwei­ein­halb Stun­den im Po­li­zei­kes­sel aus­zu­har­ren, wo er sich frei be­we­gen konn­te. An­schlies­send wurde er – mit Ka­bel­bin­dern ge­fes­selt – in die Po­li­zei­ka­ser­ne trans­por­tiert und dort noch knapp drei­ein­halb Stun­den und somit ins­ge­samt rund sechs Stun­den fest­ge­hal­ten (vgl. Erw. 3.5.2 des er­wähn­ten Ur­teils). Da sich die Rüge des Be­schwer­de­füh­rers wie be­reits er­wähnt als un­be­grün­det er­weist, er­üb­ri­gen sich Wei­te­run­gen zu die­sem Thema.

f) Zum um­strit­te­nen Sach­ver­halt bleibt ab­schlies­send fest­zu­hal­ten, dass die Dar­le­gung des Be­schwer­de­füh­rers, er sei als un­be­tei­lig­ter Zu­schau­er zu­fäl­lig in die po­li­zei­li­che Um­stel­lung ge­ra­ten, an­ge­sichts sei­ner 46-​jährigen Er­fah­rung mit «an­ti­ka­pi­ta­lis­ti­schen» Kund­ge­bun­gen (Selbst­an­ga­be) als un­glaub­wür­dig er­scheint. Da der Anti-​WEF-Demonstration vom 23. Ja­nu­ar 2016 eine Be­wil­li­gung fehl­te, muss­te er mit si­cher­heits­po­li­zei­li­chen Mass­nah­men rech­nen. Dem vor­lie­gen­den Bild­ma­te­ri­al ist schliess­lich klar zu ent­neh­men, dass er sich dem De­mons­tra­ti­ons­zug be­wusst an­ge­schlos­sen hat. Er liess die sich mehr­fach bie­ten­den Ge­le­gen­hei­ten, aus der Grup­pe der Be­tei­lig­ten re­spek­ti­ve aus der Um­stel­lung her­aus­zu­tre­ten, un­ge­nutzt ver­strei­chen und nahm damit in Kauf, po­li­zei­lich kon­trol­liert und mit einer Weg­wei­sung und Fern­hal­tung be­legt zu wer­den. Die vom Be­schwer­de­füh­rer er­ho­be­nen Rügen er­wei­sen sich daher als un­be­grün­det.

4. An die­ser Stel­le ist zu prü­fen, ob die Ver­fü­gung «Rayon­ver­bot Ge­mein­de Zug» vom 23. Ja­nu­ar 2016 der Zuger Po­li­zei den Vor­aus­set­zun­gen von Art. 36 BV zu ge­nü­gen ver­mag. Die Grund­rechts­ein­schrän­kung be­darf einer ge­setz­li­chen Grund­la­ge (vgl. Erw. 4a nach­fol­gend) und muss durch ein öf­fent­li­ches In­ter­es­se oder durch den Schutz von Grund­rech­ten Drit­ter ge­recht­fer­tigt sein (vgl. Erw. 4b) und hat den Grund­satz der Ver­hält­nis­mäs­sig­keit zu wah­ren, wobei der Kern­ge­halt des Grund­rechts un­an­tast­bar ist (vgl. Erw. 4c).

a) Nach Art. 36 Abs. 1 BV be­dür­fen Ein­schrän­kun­gen von Grund­rech­ten einer ge­setz­li­chen Grund­la­ge. Schwer­wie­gen­de Ein­schrän­kun­gen müs­sen im Ge­setz selbst vor­ge­se­hen sein. Aus­ge­nom­men sind Fälle erns­ter, un­mit­tel­ba­rer und nicht an­ders ab­wend­ba­rer Ge­fahr. Nach § 16 Abs. 1 PolG kann die Po­li­zei eine Per­son bis längs­tens 72 Stun­den von einem be­stimm­ten Ort weg­wei­sen und/oder fern­hal­ten, wenn sie selbst ernst­haft und un­mit­tel­bar ge­fähr­det ist (lit. a); ein be­grün­de­ter Ver­dacht be­steht, sie werde die öf­fent­li­che Si­cher­heit und Ord­nung ernst­haft und un­mit­tel­bar ge­fähr­den oder stö­ren oder durch ihr Ver­hal­ten die un­mit­tel­ba­re Ge­fahr einer ge­walt­tä­ti­gen Aus­ein­an­der­set­zung schaf­fen (lit. b); sie Drit­te ernst­haft be­läs­tigt, ge­fähr­det oder Drit­ten mit einer ernst­haf­ten Ge­fähr­dung droht (lit. c); sie Ein­sät­ze zur Wie­der­her­stel­lung oder Auf­recht­erhal­tung der öf­fent­li­chen Si­cher­heit und Ord­nung ins­be­son­de­re durch die Po­li­zei, Kräf­te des Be­völ­ke­rungs­schut­zes oder der Ret­tungs­diens­te be­hin­dert, stört oder sich in sol­che Ein­sät­ze ein­mischt (lit. d); sie die Po­li­zei an der Durch­set­zung voll­streck­ba­rer Ent­schei­de hin­dert, stört oder sich ein­mischt (lit. e) oder sie die Er­fül­lung po­li­zei­li­cher Auf­ga­ben zu ver­ei­teln ver­sucht (lit. f). Die Ver­fü­gung «Rayon­ver­bot Ge­mein­de Zug» der Zuger Po­li­zei vom 23. Ja­nu­ar 2016 stützt sich auf § 16 PolG. Nach des­sen Ab­satz 1 wäre eine Weg­wei­sung/Fern­hal­tung bis zu 72 Stun­den zu­läs­sig, so­dass die an­ge­foch­te­ne Ver­fü­gung le­dig­lich einen Drit­tel der ge­setz­lich zu­läs­si­gen Höchst­dau­er aus­schöpft. Sie in­for­miert zudem über die Grün­de, die Dauer und den räum­li­chen Be­reich der Mass­nah­me. Aus­ser­dem weist sie auf die Fol­gen bei Miss­ach­tung der Mass­nah­me hin und ent­hält eine Rechts­mit­tel­be­leh­rung, so­dass die an­ge­foch­te­ne Ver­fü­gung vom 23. Ja­nu­ar 2016 den An­for­de­run­gen von § 16 Abs. 2 PolG zu ge­nü­gen ver­mag. Das Vor­lie­gen einer ge­setz­li­chen Grund­la­ge im Sinne von Art. 36 Abs. 1 BV ist somit zu be­ja­hen.

b) Ein­schrän­kun­gen von Grund­rech­ten müs­sen durch ein öf­fent­li­ches In­ter­es­se oder durch den Schutz von Grund­rech­ten Drit­ter ge­recht­fer­tigt sein (Art. 36 Abs. 2 BV).

aa) Unter das öf­fent­li­che In­ter­es­se fal­len zu­nächst po­li­zei­li­che Schutz­gü­ter. In der bun­des­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung han­delt es sich dabei ty­pi­scher­wei­se um den Schutz von Leben und Ge­sund­heit der Men­schen, der öf­fent­li­chen Ruhe und Sitt­lich­keit und von Treu und Glau­ben im Ge­schäfts­ver­kehr (BGE 127 I 164 Erw. 3d, BGE 127 II 91 Erw. 4). Der Schutz der öf­fent­li­chen Si­cher­heit und Ord­nung meint einen Sammel-​ und Ober­be­griff und be­deu­tet letzt­lich den Schutz der Rechts­ord­nung. Nicht­po­li­zei­li­che In­ter­es­sen las­sen sich an­de­ren Tei­len der Ver­fas­sung ent­neh­men, bei­spiels­wei­se In­ter­es­sen des Sprach­frie­dens (Art. 70 BV), des Re­li­gi­ons­frie­dens (Art. 72 BV), des Um­welt­schut­zes (Art. 74 BV), der Raum­pla­nung (Art. 75 BV), des Natur-​ und Hei­mat­schut­zes (Art. 78 BV), des Tier­schut­zes (Art. 80 BV), der kul­tu­rel­len Viel­falt der elek­tro­ni­schen Me­di­en (Art. 93 BV) oder auch so­zi­al­po­li­ti­sche In­ter­es­sen (Art. 41 BV). Nicht po­li­zei­li­che und po­li­zei­li­che In­ter­es­sen kön­nen sich teil­wei­se über­schnei­den (bei­spiels­wei­se wenn gegen eine Tier­quä­le­rei aus Grün­den des Tier­schut­zes und aus po­li­zei­li­chen Grün­den ein­ge­schrit­ten wer­den muss). Schliess­lich be­stehen auch nicht zu un­ter­schät­zen­de Ei­gen­in­ter­es­sen der Be­hör­den und der staat­li­chen Ver­wal­tung (bei­spiels­wei­se be­son­de­re Ge­heim­hal­tungs­in­ter­es­sen oder der Schutz der Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Be­hör­den). Ob diese öf­fent­li­chen In­ter­es­sen einen Ein­griff recht­fer­ti­gen, ist im Hin­blick auf jedes in­fra­ge ste­hen­de Grund­recht und für jeden Ein­zel­fall se­pa­rat zu be­ur­tei­len (Rai­ner Schwei­zer, Kom­men­tar zur Schwei­ze­ri­schen Bun­des­ver­fas­sung, St. Gal­len, 2014, Art. 36 N 32). Eine Ein­schrän­kung eines Grund­rechts kann zudem zum Schutz der Grund­rechts­an­sprü­che eines oder meh­re­rer an­de­rer Grund­rechts­trä­ger nötig sein (Grund­rechts­kol­li­si­on). Was das An­lie­gen des Schut­zes der Grund­rech­te Drit­ter be­trifft, so wird er­wo­gen, ob die­ses nicht schon im Be­griff des öf­fent­li­chen In­ter­es­ses ent­hal­ten ist. Ist die Zahl der be­trof­fe­nen Dritt­per­so­nen gross, so wird ihr grund­recht­lich ge­schütz­tes An­lie­gen oft mit einem öf­fent­li­chen kol­lek­ti­ven In­ter­es­se über­ein­stim­men (vgl. BGE 128 I 327 Erw. 4.3.2 be­tref­fend die Über­prü­fung einer neuen Be­stim­mung in einer gross­rät­li­chen Ver­ord­nung des Kan­tons Grau­bün­dens, die im Zu­sam­men­hang mit dem WEF er­las­sen wurde). Aus­ser­dem liegt der Grund­rechts­schutz oh­ne­hin im öf­fent­li­chen In­ter­es­se, so­weit Po­li­zei­gü­ter be­trof­fen sind. Schutz von Grund­rech­ten Drit­ter meint vor allem, dass ein kon­kret ge­fähr­de­tes Grund­recht eines Drit­ten im Vor­der­grund steht. Das trifft etwa zu, wenn Ge­fähr­dun­gen oder Schä­di­gun­gen Drit­ter kon­kret zu be­fürch­ten sind. Der Schutz von Grund­rech­ten Drit­ter be­deu­tet aber nicht, dass der Grund­rechts­trä­ger auch be­lie­big vor sich selbst ge­schützt wer­den darf. Aber auch wenn den Staat in einem kon­kre­ten Fall bei einer be­son­de­ren Ge­fähr­dung eine Schutz­pflicht trifft, muss er vor allem im Fall einer Grund­rechts­kol­li­si­on ge­gen­sei­ti­ge In­ter­es­sen ab­wä­gen, so bei­spiels­wei­se bei der Frage nach dem Kinds­wohl. Einen zu­sätz­li­chen Ge­halt hat der Schutz von Grund­rech­ten Drit­ter dem­nach nur dann, wenn mit die­sen Grund­rech­ten nicht gleich­zei­tig ein öf­fent­li­ches In­ter­es­se (z.B. ein Po­li­zei­gut) an­ge­ru­fen wird (Schwei­zer, a.a.O., Art. 36 N 35).

bb) Zu prü­fen ist, ob ein öf­fent­li­ches In­ter­es­se oder der Schutz von Grund­rech­ten Drit­ter eine Ein­schrän­kung der Grund­rech­te des Be­schwer­de­füh­rers recht­fer­tigt. Die­ser macht gel­tend, die Ein­schrän­kung sei­ner Grund­rech­te sei weder durch das Vor­lie­gen eines öf­fent­li­chen In­ter­es­ses noch durch den Schutz von Grund­rech­ten Drit­ter ge­recht­fer­tigt ge­we­sen. Er habe näm­lich in den ver­gan­ge­nen 46 Jah­ren an den meis­ten «an­ti­ka­pi­ta­lis­ti­schen» Kund­ge­bun­gen im Kan­ton Zug teil­ge­nom­men und könne sich nicht an eine ein­zi­ge er­in­nern, an wel­cher es zu ge­walt­sa­men Aus­ein­an­der­set­zun­gen ge­kom­men wäre. Vor die­sem Hin­ter­grund müsse die po­li­zei­li­che Ein­stu­fung (hohes Aggressions-​, Konflikt-​ und Scha­den­po­ten­ti­al) der Kund­ge­bung vom 23. Ja­nu­ar 2016 an­ge­zwei­felt wer­den.

Bei der Ein­schät­zung der po­ten­ti­el­len Ge­fähr­lich­keit der Ver­an­stal­tung sind die zahl­rei­chen Er­fah­run­gen an­de­rer Schwei­zer Ort­schaf­ten be­züg­lich Anti-​WEF-Demonstrationen mit re­gel­mäs­si­gem Auf­ein­an­der­tref­fen ex­tre­mis­ti­scher Grup­pie­run­gen, wel­che in schwe­re Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit teil­wei­se er­heb­li­chen Sach- und Per­so­nen­schä­den mün­de­ten, zu be­rück­sich­ti­gen. In die­sem Zu­sam­men­hang räum­te auch der Be­schwer­de­füh­rer ein, dass die meis­ten De­mons­trie­ren­den von «aus­wärts zu­ge­reist» seien, so­dass sich eine Be­rück­sich­ti­gung der Er­fah­run­gen an­de­rer Schwei­zer Städ­te mit Anti-​WEF-Demonstrationen umso mehr auf­drängt. An­ge­sichts des vor­lie­gend nicht un­er­heb­li­chen Ge­walt­po­ten­zi­als der­ar­ti­ger Ver­an­stal­tun­gen be­stand daher so­wohl für Be­tei­lig­te als auch für Nicht­be­tei­lig­te bzw. bloss an­we­sen­de Per­so­nen eine ernst­zu­neh­men­de Ver­let­zungs­ge­fahr. An der Kund­ge­bung vom 23. Ja­nu­ar 2016 wur­den nach den An­ga­ben der Po­li­zei ei­ni­ge ver­mumm­te De­mons­tran­ten und ver­ein­zel­te ge­fähr­li­che Ge­gen­stän­de an­ge­trof­fen sowie links­ex­tre­mis­ti­sche Füh­rungs­per­so­nen iden­ti­fi­ziert (vgl. Stel­lung­nah­me der Zuger Po­li­zei vom 20. Juni 2016, S. 3). So­wohl der Be­schwer­de­füh­rer als auch die Po­li­zei er­wähn­ten zudem eine Grup­pe jun­ger Män­ner, die auf­grund ihres sze­ne­üb­li­chen Ver­hal­tens (Zwi­schen­ru­fe, Äus­se­run­gen, Klei­dung und Haar­schnitt etc.) eher einer rechts­ex­tre­men Grup­pie­rung zu­zu­ord­nen seien. Aus die­sem Grund muss­te die Po­li­zei mit einer ge­walt­tä­ti­gen Kon­fron­ta­ti­on zwi­schen den ju­gend­li­chen Rechts­ex­tre­men und den lin­ken De­mons­tran­ten rech­nen. Es droh­te die un­mit­tel­ba­re Ge­fahr einer ge­walt­tä­ti­gen Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen den bei­den Grup­pie­run­gen. Ein Zu­war­ten, bis es zu ers­ten Personen-​ oder Sach­schä­den kommt, war sei­tens der Po­li­zei­kräf­te nicht an­ge­zeigt. Die Po­li­zei streb­te mit ihrem Vor­ge­hen ge­gen­über den De­mons­tran­ten wie auch ge­gen­über dem Be­schwer­de­füh­rer die Auf­lö­sung einer un­be­wil­lig­ten De­mons­tra­ti­on mit nicht un­er­heb­li­chem Ge­walt­po­ten­ti­al und die Ver­hin­de­rung von deren Neu­for­mie­rung im Sinne der öf­fent­li­chen Si­cher­heit und Ord­nung an. Hin­wei­se dar­auf, dass vom Be­schwer­de­füh­rer als aktiv han­deln­der Per­son eine ernst­haf­te und un­mit­tel­ba­re Ge­fahr für die öf­fent­li­che Si­cher­heit und Ord­nung aus­ge­gan­gen ist, sind nicht er­sicht­lich. Al­ler­dings ist auch durch die blos­se Prä­senz in einer be­stimm­ten An­samm­lung von Men­schen, von denen eine ent­spre­chen­de Ge­fahr aus­geht, und der darin lie­gen­den Un­ter­stüt­zung bzw. des Mit­tra­gens ihres je­wei­li­gen Ver­hal­tens und Vor­ge­hens eine sol­che Ge­fahr zu er­bli­cken (vgl. dazu der oben er­wähn­te BGE 142 I 121, 125, Erw. 3.3.1). Der Be­schwer­de­füh­rer be­fand sich am 23. Ja­nu­ar 2016 auf dem Bun­des­platz in der Stadt Zug und damit im Zen­trum einer Men­schen­men­ge von De­mons­tran­ten, deren Zu­sam­men­set­zung die Zuger Po­li­zei auf­grund der ge­nann­ten Um­stän­de als ri­si­ko­be­haf­tet ein­stuf­te. Somit ging auch von ihm im Hin­blick auf die öf­fent­li­che Si­cher­heit und Ord­nung eine Stör­ge­fahr im Sinne von § 16 Abs. 1 lit. b PolG aus. Durch seine Prä­senz auf dem Bun­des­platz und seine ma­ni­fes­tier­te Wei­ge­rung, sich vom De­mons­tra­ti­ons­zug zu di­stan­zie­ren, be­hin­der­te der Be­schwer­de­füh­rer den Ein­satz der Po­li­zei zwecks Auf­lö­sung der un­be­wil­lig­ten De­mons­tra­ti­on, so­dass auch § 16 Abs. 1 lit. d PolG er­füllt ist. Schliess­lich ver­mag er aus dem Um­stand, dass die De­mons­tra­ti­on vom 23. Ja­nu­ar 2016 grund­sätz­lich fried­lich ver­lau­fen ist, nichts zu sei­nen Guns­ten ab­zu­lei­ten. Es ist näm­lich zu be­ach­ten, dass die Stim­mung je­der­zeit um­schla­gen und in mas­si­ve Aus­ein­an­der­set­zun­gen hätte mün­den kön­nen. Das Ri­si­ko für Aus­ein­an­der­set­zun­gen war hier­bei nicht bloss theo­re­ti­scher Natur und es be­stand Grund zur An­nah­me be­vor­ste­hen­der Ge­walt­tä­tig­kei­ten oder an­de­rer er­heb­li­cher Rechts­brü­che. Vor dem Hin­ter­grund der zahl­rei­chen Er­fah­run­gen be­züg­lich Anti-​WEF-Demonstrationen in an­de­ren Schwei­zer Ort­schaf­ten mit re­gel­mäs­si­gem Auf­ein­an­der­tref­fen ex­tre­mis­ti­scher Grup­pie­run­gen, wel­che in schwe­re Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit Sach- und Per­so­nen­schä­den mün­de­ten, ging die Zuger Po­li­zei zu Recht von einer er­höh­ten Ge­fahr für die öf­fent­li­che Si­cher­heit und Ord­nung und die in­di­vi­du­el­le Un­ver­sehrt­heit der an­we­sen­den Per­so­nen in der Stadt Zug aus. So­wohl das Vor­lie­gen eines öf­fent­li­chen In­ter­es­se als auch die Not­wen­dig­keit des Schut­zes von Grund­rech­ten Drit­ter im Sinne von Art. 36 Abs. 2 BV ist daher zu be­ja­hen.

c) Es bleibt zu prü­fen, ob die Weg­wei­sung/Fern­hal­tung unter den ge­ge­be­nen Um­stän­den ver­hält­nis­mäs­sig ge­we­sen ist (vgl. Art. 36 Abs. 3 und 4 BV).

aa) Ein Grund­rechts­ein­griff lässt sich nur recht­fer­ti­gen, wenn er ver­hält­nis­mäs­sig ist. Die­ses Kri­te­ri­um misst sich am Ver­hält­nis des Grund­rechts­ein­griffs zum Zweck der Re­ge­lung, der dem öf­fent­li­chen In­ter­es­se bzw. dem Schutz der Grund­rech­te Drit­ter die­nen muss. Dabei müs­sen drei Aspek­te der Ver­hält­nis­mäs­sig­keit ku­mu­la­tiv er­füllt sein: Die Eig­nung, die Er­for­der­lich­keit und die Ver­hält­nis­mäs­sig­keit von Ein­griffs­zweck und Ein­griffs­wir­kung (Zu­mut­bar­keit; statt vie­ler: BGE 124 I 107 Erw. 4c). Im je­wei­li­gen kon­kre­ten Ein­zel­fall ist zu prü­fen, ob der in­fra­ge ste­hen­de Ein­griff in das be­tref­fen­de Grund­recht über­haupt not­wen­dig und ge­recht­fer­tigt ist (Schwei­zer, a.a.O., Art. 36 N 37). Ge­eig­net ist eine staat­li­che Hand­lung dann, wenn durch sie das öf­fent­li­che In­ter­es­se auch tat­säch­lich wahr­ge­nom­men wer­den kann, sprich: Wenn der im öf­fent­li­chen In­ter­es­se ver­folg­te Zweck er­reicht wer­den kann (Schwei­zer, a.a.O., Art. 36 N 38). Gibt es meh­re­re gleich ge­eig­ne­te Mass­nah­men, mit wel­chen der ver­folg­te Zweck er­reicht wer­den kann, ist eine Mass­nah­me aber in ihren Ein­griffs­wir­kun­gen mil­der bzw. we­ni­ger schwer, so ver­langt das Ele­ment der Er­for­der­lich­keit, dass auf schwe­rer wie­gen­de Mass­nah­men ver­zich­tet wird (BGE 140 I 2 Erw. 9.2.2). Der Ein­griff darf also im kon­kre­ten Fall in sach­li­cher, räum­li­cher, zeit­li­cher und per­so­nel­ler Be­zie­hung nicht über das, was un­er­läss­lich ist, hin­aus­ge­hen (Ur­teil des Bun­des­ge­richts vom 15. April 2013, 1B_277/2013, Erw. 4.3.3). Der Ein­griff soll sich na­ment­lich pri­mär gegen die ver­ant­wort­li­chen Stö­rer rich­ten (Schwei­zer, a.a.O., Art. 36 N 39). Schliess­lich muss sich der Ein­griffs­zweck im Ver­hält­nis zur Ein­griffs­wir­kung im kon­kre­ten Fall be­wäh­ren (Zu­mut­bar­keit eines Grund­rechts­ein­griffs). Es ist zu prü­fen, ob das ge­steck­te Ziel in einem ver­nünf­ti­gen Ver­hält­nis zu der zu sei­ner Er­lan­gung not­wen­di­gen Frei­heits­be­schrän­kung steht. Dazu sind na­ment­lich die In­ter­es­sen des Ge­mein­we­sens am Ein­griff gegen die ent­ge­gen­ste­hen­den spe­zi­fi­schen In­ter­es­sen der be­trof­fe­nen Grund­rechts­trä­ge­rin­nen und -​träger ab­zu­wä­gen (Schwei­zer, a.a.O., Art. 36 N 40).

bb) Im Rah­men der Prü­fung der Ver­hält­nis­mäs­sig­keit der an­ge­ord­ne­ten Mass­nah­me ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass Weg­wei­sun­gen/Fern­hal­tun­gen bzw. Rayon­ver­bo­te ein ge­eig­ne­tes Mit­tel zur Ver­hin­de­rung der Fort­set­zung des De­mons­tra­ti­ons­zugs oder einer Nach­de­mons­tra­ti­on sind, um ins­be­son­de­re damit ver­bun­de­nen Es­ka­la­tio­nen mit Kon­fron­ta­tio­nen und Sach­be­schä­di­gun­gen vor­zu­beu­gen. Sie kön­nen auch als er­for­der­lich gel­ten, zumal nicht er­sicht­lich ist, in­wie­fern die Po­li­zei in­so­weit eben­so ge­eig­ne­te, aber we­ni­ger stark in die Grund­rech­te des Be­schwer­de­füh­rers ein­grei­fen­de Mass­nah­men hätte er­grei­fen kön­nen.

Un­be­tei­lig­te hat­ten näm­lich mehr­mals die Ge­le­gen­heit er­hal­ten, den Bun­des­platz un­ge­hin­dert zu ver­las­sen. Hätte die Po­li­zei es hin­ge­gen zu­ge­las­sen, dass auch po­ten­zi­el­le De­mons­tra­ti­ons­teil­neh­mer un­mit­tel­bar nach ihrer Um­stel­lung den Bun­des­platz rasch ver­las­sen könn­ten, hätte sie nicht aus­schlies­sen kön­nen, dass diese sich kurz dar­auf an einem an­de­ren Ort an einer mög­li­cher­wei­se mit ge­walt­tä­ti­gen Aus­schrei­tun­gen ver­bun­de­nen, un­be­wil­lig­ten De­mons­tra­ti­on be­tei­lig­ten. Auch wenn die po­li­zei­li­che Weg­wei­sung und Fern­hal­tung den Be­schwer­de­füh­rer ein­ge­schränkt hat, ist zu be­ach­ten, dass den ge­wich­ti­gen pri­va­ten In­ter­es­sen des Be­schwer­de­füh­rers, sich frei zu be­we­gen, sich mit an­dern Per­so­nen ver­sam­meln und seine Mei­nung un­ge­hin­dert äus­sern zu kön­nen, sehr er­heb­li­che öf­fent­li­che In­ter­es­sen ent­ge­gen ge­stan­den sind. Die Er­fah­run­gen ver­gan­ge­ner Jahre mit Anti-​WEF-Demonstrationen hat­ten ge­zeigt, dass es re­gel­mäs­sig zu schwe­ren Aus­schrei­tun­gen kam, die nicht nur be­deu­ten­de Sach­be­schä­di­gun­gen zur Folge hat­ten, son­dern auch mit Ver­let­zun­gen bei De­mons­tran­ten, Ein­satz­kräf­ten und un­be­tei­lig­ten Per­so­nen ein­her­gin­gen. Auf­grund ihrer Ein­schät­zung der ak­tu­el­len Si­tua­ti­on muss­ten die Ein­satz­kräf­te damit rech­nen, dass die un­be­wil­lig­te De­mons­tra­ti­on mög­li­cher­wei­se mit schwe­ren Aus­schrei­tun­gen ver­bun­den sein könn­te, wes­halb das öf­fent­li­che In­ter­es­se an der Fest­hal­tung des Be­schwer­de­füh­rers und wei­te­rer po­ten­zi­el­ler De­mons­tra­ti­ons­teil­neh­mer gross war. Unter den ge­ge­be­nen Um­stän­den spra­chen daher ge­wich­ti­ge öf­fent­li­che In­ter­es­sen dafür, den Be­schwer­de­füh­rer und wei­te­re po­ten­zi­el­le De­mons­tra­ti­ons­teil­neh­mer si­cher­heits­po­li­zei­lich zu über­prü­fen. Hin­sicht­lich der Zu­mut­bar­keit der an­ge­foch­te­nen Ver­fü­gung ist im Wei­te­ren zu be­to­nen, dass sich die Weg­wei­sung und Fern­hal­tung auf das Ter­ri­to­ri­um der Stadt Zug be­schränkt und le­dig­lich 24 Stun­den ge­dau­ert hat, näm­lich vom Sams­tag­nach­mit­tag, 23. Ja­nu­ar 2016, 17.00 Uhr, bis Sonn­tag­nach­mit­tag, 24. Ja­nu­ar 2016, 17.00 Uhr. Der Be­schwer­de­füh­rer macht zudem nicht gel­tend, dass er in die­sem Zeit­raum einer drin­gen­den Tä­tig­keit auf dem Stadt­zu­ger Ge­mein­de­ge­biet hätte nach­ge­hen bzw. sich an­der­wei­tig not­wen­di­ger­wei­se dort hätte auf­hal­ten müs­sen. Er muss­te weder einen drin­gen­den Arzt­ter­min wahr­neh­men noch einer Er­werbs­tä­tig­keit nach­ge­hen oder drin­gen­de und nur in Zug mög­li­che Ein­käu­fe tä­ti­gen. Es han­del­te sich zudem um ein Wo­chen­en­de bzw. um eine Zeit­span­ne, in der die meis­ten Läden oh­ne­hin ge­schlos­sen waren. Im Ein­klang mit der Zuger Po­li­zei ist hier­bei her­vor­zu­he­ben, dass die ge­setz­lich mög­li­che Ma­xi­maldau­er von 72 Stun­den nur zu einem Drit­tel aus­ge­schöpft wor­den ist. Eine Fern­hal­tung für die Dauer von 24 Stun­den er­scheint vor­lie­gend an­hand der für eine be­stimm­te Zeit dro­hen­den Ge­fahr er­neu­ter Zu­sam­men­rot­tung von De­mons­tran­ten und der damit ver­bun­de­nen la­ten­ten Ge­fahr von Aus­schrei­tun­gen zweck­mäs­sig. Die Ver­hält­nis­mäs­sig­keit von Ein­griffs­zweck und Ein­griffs­wir­kung (Zu­mut­bar­keit) ist daher zu be­ja­hen. Man­gels Vor­lie­gens eines mil­de­ren und gleich­zei­tig gleich­wer­ti­gen Mit­tels ist ein Miss­ver­hält­nis zwi­schen dem zu wah­ren­den ge­wich­ti­gen öf­fent­li­chen In­ter­es­se hin­sicht­lich öf­fent­li­cher Si­cher­heit und Ord­nung und der kon­kre­ten Frei­heits­be­schrän­kung des Be­schwer­de­füh­rers zu ver­nei­nen. Eine Ab­wä­gung der sich ent­ge­gen­ste­hen­den pri­va­ten und öf­fent­li­chen In­ter­es­sen er­gibt, dass dem Be­schwer­de­füh­rer unter den kon­kre­ten Um­stän­den die Weg­wei­sung und Fern­hal­tung zu­mut­bar ge­we­sen ist. Die an­ge­foch­te­ne Ver­fü­gung ist damit als not­wen­dig und ver­hält­nis­mäs­sig zu er­ach­ten und greift nicht in den Kern­ge­halt der Grund­rech­te des Be­schwer­de­füh­rers ein.

d) Zu­sam­men­fas­send ist fest­zu­hal­ten, dass die Zuger Po­li­zei im Rah­men ihrer An­ord­nung zur Weg­wei­sung und Fern­hal­tung des Be­schwer­de­füh­rers an­läss­lich der un­be­wil­lig­ten Anti-​WEF-Demonstration vom 23. Ja­nu­ar 2016 weder das Po­li­zei­ge­setz falsch an­ge­wen­det noch un­ge­recht­fer­tigt in die ver­fas­sungs­mäs­si­gen Grund­rech­te des Be­schwer­de­füh­rers ein­ge­grif­fen hat. Auf­grund sei­nes Ver­hal­tens wurde er kor­rek­ter­wei­se als Be­tei­lig­ter des De­mons­tra­ti­ons­zu­ges an­ge­se­hen und in Be­rück­sich­ti­gung der kon­kre­ten Um­stän­de er­weist sich das von der Zuger Po­li­zei ge­gen­über dem Be­schwer­de­füh­rer für 24 Stun­den für das Ge­biet der Stadt Zug aus­ge­spro­che­ne Rayon­ver­bot als ge­setz­mäs­sig und im öf­fent­li­chen In­ter­es­se lie­gend. Schliess­lich ver­mag die an­ge­foch­te­ne Ver­fü­gung auch der Ver­hält­nis­mäs­sig­keits­prü­fung ge­mäss Art. 36 Abs. 3 BV stand­zu­hal­ten und ein Ein­griff in den Kern­be­reich der Grund­rech­te im Sinne von Art. 36 Abs. 4 BV ist nicht er­sicht­lich. Ab­schlies­send er­weist sich die Be­schwer­de ins­ge­samt als un­be­grün­det und ist ab­zu­wei­sen.

(...)

Ur­teil des Ver­wal­tungs­ge­richts vom 24. Ok­to­ber 2017, V 2017 6
Das Ur­teil ist rechts­kräf­tig.

Weitere Informationen

Fusszeile

Deutsch