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Vor­sorg­li­che Mass­nah­men bei Kün­di­gung eines Al­lein­ver­triebs­ver­trags; No­ven­recht

Art. 261 ZPO und Art. 229 ZPO

Re­ges­te:

Art. 261 ZPO und Art. 229 ZPO – No­ven­recht im vor­sorg­li­chen Mass­nah­me­ver­fah­ren

Aus dem Sach­ver­halt:

1. Die Ge­such­stel­le­rin ist eine Ge­sell­schaft deut­schen Rechts mit Sitz in (…)(act. 1/3). Sie be­zweckt im We­sent­li­chen den Ver­trieb di­ver­ser Ei­gen­mar­ken im Be­reich (…). Aus­ser­dem ver­treibt sie in Li­zenz auch ver­schie­de­ne Fremd­mar­ken (act. 1 N 11 f.; act. 1/4; act. 13 Rz 136).

2. Die Ge­suchs­geg­ne­rin ist eine Ge­sell­schaft schwei­ze­ri­schen Rechts mit Sitz in (…). Ihr Zweck be­steht ins­be­son­de­re in der Pro­duk­ti­on und dem Han­del mit Waren aller Art (act. 1 N 13; act. 1/5; act. 13 Rz 136). Die Ge­suchs­geg­ne­rin ist ins­be­son­de­re für (…) be­kannt. Diese wer­den in der Schweiz und in Deutsch­land unter der Be­zeich­nung (…) ver­trie­ben, wäh­rend sie an­dern­orts (…) ge­nannt wer­den (act. 1 N 14; act. 1/6; act. 13 Rz 136).

3. Die Par­tei­en schlos­sen am (…)(act. 1/7) einen ers­ten und am (…)(act. 1/8) einen zwei­ten be­fris­te­ten Al­lein­ver­triebs­ver­trag über (…) ab. Da­mals fir­mier­te die Ge­such­stel­le­rin als (…). Im Jahr (…) fu­sio­nier­te die Ge­such­stel­le­rin mit der (…) und än­der­te ihre Firma in (…) um (act. 1 N 16; act. 1/4; act. 13 Rz 21, 136). Am (…) (act. 1/9) schlos­sen die Par­tei­en einen drit­ten und am (…) (act. 1/2, der Al­lein­ver­triebs­ver­trag vom (…) wird nach­fol­gend als «Al­lein­ver­triebs­ver­trag» be­zeich­net) einen vier­ten be­fris­te­ten Al­lein­ver­triebs­ver­trag über (…) ab. Die letz­ten bei-​den Al­lein­ver­triebs­ver­trä­ge er­wähn­ten als «Sup­plier» nebst der Ge­suchs­geg­ne­rin eine (…).

4. Mit E-​Mail vom (…)(act. 1/14) kün­dig­te die Ge­suchs­geg­ne­rin den Al­lein­ver­triebs­ver­trag. Zeit­gleich nahm sie die Zu­sam­men­ar­beit mit der (…) für den Ver­trieb der (…) in Deutsch­land auf (act. 1/15; act. 1/16). In der dar­auf­fol­gen­den Kor­re­spon­denz zwi­schen den Par­tei­en war im We­sent­li­chen strit­tig, ob die Kün­di­gung Gül­tig­keit er­lang­te oder nicht (act. 1/19–25).

Aus den Er­wä­gun­gen:

(…)

2. Die Ge­such­stel­le­rin be­an­tragt die An­ord­nung vor­sorg­li­cher Mass­nah­men nach Art. 261 ff. ZPO. Dar­über ist im sum­ma­ri­schen Ver­fah­ren zu be­fin­den (Art. 248 lit. d ZPO). Das sum­ma­ri­sche Ver­fah­ren ist ein Ver­fah­ren mit Be­weis­be­schrän­kung zum Ziel der Pro­zess­be­schleu­ni­gung. Zudem zeich­net es sich durch eine sum­ma­ri­sche Prü­fung der Rechts­fra­gen aus. Ge­mäss Art. 261 Abs. 1 ZPO trifft das Ge­richt die not­wen­di­gen vor­sorg­li­chen Mass­nah­men, wenn die gesuch-​stellende Par­tei glaub­haft macht, dass ein ihr zu­ste­hen­der An­spruch ver­letzt ist oder eine Ver­let­zung zu be­fürch­ten ist (Ver­fü­gungs­an­spruch) und ihr aus die­ser (mög­li­chen) Ver­let­zung ein nicht leicht wie­der gut­zu­ma­chen­der Nach­teil droht (Ver­fü­gungs­grund). Eben­falls zum Vor­aus­set­zungs­ka­ta­log ge­hö­ren das Glaub­haft­ma­chen der zeit­li­chen Dring­lich­keit sowie der Ver­hält­nis­mäs­sig­keit der be­an­trag­ten Mass­nah­me. Glaub­haft ma­chen be­deu­tet we­ni­ger als be­wei­sen, aber mehr als be­haup­ten. Die Ge­such­stel­le­rin hat dar­zu­le­gen, dass das Vor­lie­gen der an­spruchs­be­grün­den­den Tat­sa­chen wahr­schein­lich ist. Not­wen­dig ist der Nach­weis ob­jek­ti­ver An­halts­punk­te, nach wel­chen eine ge­wis­se Wahr­schein­lich­keit für die be­haup­te­ten Tat­sa­chen spricht, wobei eine Rest­un­si­cher­heit ver­blei­ben kann (Huber, in: Sutter-​Somm/Ha­sen­böh­ler/Leu­en­ber­ger [Hrsg.], Kom­men­tar zur Schwei­ze­ri­schen Zivilprozessord-​nung, 3. A. 2016, Art. 261 ZPO N 17 ff., N 25; Mazan, Bas­ler Kom­men­tar, 3. A. 2017, Art. 248 ZPO N 9; Pre­sen­ti, in: Sutter-​Somm/Ha­sen­böh­ler/Leu­en­ber­ger [Hrsg.], a.a.O., Art. 248 ZPO N 1).

Wird die An­ord­nung einer Leis­tungs­mass­nah­me ver­langt, sind er­heb­lich hö­he­re An­for­de­run­gen an die Vor­aus­set­zun­gen der Hauptsache-​ und Nach­teils­pro­gno­se sowie an die Dring­lich­keit und die Ver­hält­nis­mäs­sig­keit zu stel­len, denn die Mass­nah­me darf nur sehr re­strik­tiv an­ge­ord­net wer­den, da sie einen be­son­ders schwer­wie­gen­den Ein­griff in die Rechts­stel­lung der Ge­gen­par­tei dar­stellt. Hö­he­re An­for­de­run­gen sind zudem an die Be­grün­det­heit des Be­geh­rens in tat­säch­li­cher und recht­li­cher Hin­sicht zu stel­len (vgl. BGE 131 III 473 E. 2.3, 3.2 [= Pra 2006 Nr. 95]; Ur­teil des Han­dels­ge­richts Zü­rich vom 2. No­vem­ber 2017, in: ZR 117/ 2018 S. 207 ff. E. 2.2; Spre­cher, Bas­ler Kom­men­tar, a.a.O., Art. 261 ZPO N 65). Dies gilt ins­be­son­de­re dann, wenn der Ent­scheid über die an­be­gehr­ten Mass­nah­men eine de­fi­ni­ti­ve Wir­kung haben kann, weil der Streit mit der An­ord­nung der Mass­nah­men endet und ein Ur­teil ge­gen­stands­los wird (vgl. BGE 131 III 473 E. 2.3, 3.2 [= Pra 2006 Nr. 95]).

Nicht nur bei der be­an­trag­ten vor­sorg­li­chen po­si­ti­ven Ver­pflich­tung, die Ge­such­stel­le­rin weiter-​hin mit (…) zu be­lie­fern (Rechts­be­geh­ren Ziff. 1), son­dern auch beim vor­sorg­li­chen Ver­bot, (…) in (…) nicht an Drit­te zu ver­trei­ben (Rechts­be­geh­ren Ziff. 2), wird eine Leis­tungs­mass­nah­me an­be­gehrt (vgl. Spre­cher, a.a.O., Art. 262 ZPO N 5, 7; act. 1 N 97 f.; act. 13 Rz 122). Dabei würde der be­fris­te­te Al­lein­ver­triebs­ver­trag oh­ne­hin am 31. De­zem­ber 2021 enden. Der Mass­nah­me­ent­scheid würde folg­lich einen rechts­kräf­ti­gen Ent­scheid in der Haupt­sa­che auf­grund der zu er­war­ten­den Pro­zess­dau­er des Haupt­sa­che­ver­fah­rens (zu­min­dest wahr­schein­lich) voll­stän­dig vor­weg­neh­men. Mit­hin sind er­höh­te An­for­de­run­gen an die Vor­aus­set­zun­gen für den Er­lass einer vor­sorg­li­chen Mass­nah­me und an die Be­grün­det­heit des Be­geh­rens zu stel­len.

3. In einem ers­ten Schritt ist zu prü­fen, ob ein Ver­fü­gungs­an­spruch vor­liegt. Basis jeder vor­sorg­li­chen Mass­nah­me ist ein Ver­fü­gungs­an­spruch, d.h. ein zi­vil­recht­li­cher An­spruch der Ge­such­stel­le­rin (Huber, a.a.O., Art. 261 ZPO N 17). Wenn die Ge­such­stel­le­rin nicht nach­wei­sen kann, dass ihr eine Be­rech­ti­gung zu­kommt, so ist mit­tels vor­sorg­li­cher Mass­nah­men auch nichts zu schüt­zen. Im vor­sorg­li­chen Mass­nah­me­ver­fah­ren ist be­reits eine recht­li­che Wür­di­gung vorzu-​nehmen und der Haupt­sa­che­an­spruch ist einer ers­ten Be­ur­tei­lung zu un­ter­zie­hen. Die Rechts­an­wen­dung soll dabei mög­lichst mit vol­ler Ko­gni­ti­on statt­fin­den, denn das Ge­richt hat auch im vor­sorg­li­chen Mass­nah­me­ver­fah­ren die Recht­spre­chungs­auf­ga­ben wahr­zu­neh­men. Bei kom­pli­zier­ten Rechts­fra­gen, die um­fang­rei­che Ab­klä­run­gen er­for­der­lich ma­chen, ist je­doch eine Er­leich­te­rung zu­zu­las­sen. Im In­ter­es­se der Be­schleu­ni­gung darf, so­weit er­for­der­lich, auch die Rechts­an­wen­dung sum­ma­risch er­fol­gen und die um­fas­sen­de Prü­fung dem Haupt­sa­che­ver­fah­ren vor­be­hal­ten wer­den (Gün­ge­rich, Ber­ner Kom­men­tar, 2012, Art. 261 ZPO N 14 ff., 20). Der Ent­scheid be­tref­fend die vor­sorg­li­che Mass­nah­me hat für das Haupt­sa­che­ver­fah­ren keine Rechts­kraft­wir­kung; weder die tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen noch die sum­ma­risch ge­prüf­te Rechts­auf­fas­sung des Mass­nah­me­ge­richts bin­den das Haupt­sa­che­ge­richt (Kof­mel Eh­ren­zel­ler, in: Ober­ham­mer/Domej/Haas [Hrsg.], Kurz­kom­men­tar Schwei­ze­ri­sche Zi­vil­pro­zess­ord­nung, 2. A. 2014, Art. 263 ZPO N 7).

Die Vor­aus­set­zun­gen für den Be­stand eines Ver­fü­gungs­an­spru­ches rich­ten sich nach dem an-​wendbaren Recht, vor­lie­gend mit­hin nach dem Schwei­zer Recht (lex cau­sae; vgl. Art. 116 IPRG; act. 1/2 Ziff. 7g).

(…)

3.7 Zu­sam­men­fas­send ist fest­zu­hal­ten, dass der Al­lein­ver­triebs­ver­trag der Ge­such­stel­le­rin zwar das ex­klu­si­ve Ver­triebs­recht von (…) der Ge­suchs­geg­ne­rin für das Ver­trags­ge­biet (…) ein­räumt. Vor­lie­gend ist je­doch von einer gül­ti­gen und recht­zei­tig aus­ge­spro­che­nen Kün­di­gung des Al­lein­ver­triebs­ver­trags durch die Ge­suchs­geg­ne­rin aus­zu­ge­hen. Die Kün­di­gung wurde so-​dann so­fort wirk­sam. Somit ist das Vor­lie­gen eines Ver­fü­gungs­an­spruchs in­fol­ge Un­ter­gangs durch Kün­di­gung zu ver­nei­nen.

4. In einem zwei­ten Schritt ist zu prü­fen, ob der Ge­such­stel­le­rin aus der Ver­let­zung des (be­haup­te­ten) An­spruchs ein nicht leicht wie­der gut­zu­ma­chen­der Nach­teil ge­droht hätte und mit­hin ein Ver­fü­gungs­grund ge­ge­ben wäre.

(…)

4.1 Die Ge­such­stel­le­rin hat den Ver­fü­gungs­grund glaub­haft zu ma­chen, näm­lich dass bei Zu­war­ten bis zum Ent­scheid im Haupt­pro­zess durch eine be­reits be­stehen­de Ver­let­zung oder eine Ge­fähr­dung des ma­te­ri­el­len An­spruchs die­ser so, wie er lau­tet (d. h. die Re­al­voll­stre­ckung), ver­ei­telt würde oder seine ge­hö­ri­ge Be­frie­di­gung we­sent­lich er­schwert wäre, oder dass ihr un­ge­ach­tet der Mög­lich­keit nach­träg­li­chen Voll­zugs ein nicht leicht zu er­set­zen­der Scha­den oder an­de­rer Nach­teil droht. Der Nach­teil muss dro­hen, d.h. er darf noch nicht ein­ge­tre­ten sein. Ist der Nach­teil be­reits ein­ge­tre­ten und droht er nicht, sich zu ver­grös­sern, be­steht kein An­spruch auf Er­lass einer vor­sorg­li­chen Mass­nah­me, weil es dann nichts mehr vor­zu­sor­gen gibt. Unter einem Nach­teil ist ins­be­son­de­re jede Be­ein­träch­ti­gung zu ver­ste­hen, wel­che durch das in­kri­mi­nier­te Ver­hal­ten ver­ur­sacht wurde oder wer­den kann, egal ob recht­li­cher oder tat­säch­li­cher Natur. Aus­rei­chend zur Be­grün­dung eines nicht leicht wie­der gut­zu­ma­chen­den Nach­teils ist auch eine dro­hen­de Er­schwe­rung der Voll­stre­ckung des Ver­fü­gungs­an­spru­ches (Huber, a.a.O., Art. 261 ZPO N 18 ff., 20 ff. m.w.H.; Spre­cher, a.a.O., Art. 261 ZPO N 16 ff., 23, 28b; Zür­cher, in: Brun­ner/Gas­ser/Schwan­der [Hrsg.], Schwei­ze­ri­sche Zi­vil­pro­zess­ord­nung, 2. A. 2016, Art. 261 ZPO N 17 ff., 23 ff. m.w.H.). Über­dies kann ein dro­hen­der Ver­mö­gens­scha­den einen nicht leicht wie­der gut­zu­ma­chen­den Nach­teil dar­stel­len, wobei nicht ent­schei­dend ist, ob die dro­hen­de Be­ein­träch­ti­gung schluss­end­lich mit Geld ent­schä­digt wer­den kann (Bot­schaft zur Schwei­ze­ri­schen Zi­vil­pro­zess­ord­nung vom 28. Juni 2006, BBl 7221 ff., 7354; Huber, a.a.O., Art. 261 ZPO N 20, wobei ein pri­mär auf Scha­den­er­satz ge­rich­te­ter An­spruch am Nach­teils­kri­te­ri­um schei­tert). Ein fi­nan­zi­el­ler Scha­den ge­nügt nur unter er­höh­ten An­for­de­run­gen für die An­ord­nung von vor­sorg­li­chen Mass­nah­men, was dann der Fall ist, wenn der fi­nan­zi­el­le Scha­den spä­ter nur schwer ein­ge­for­dert wer­den kann (Spre­cher, a.a.O., Art. 261 ZPO N 28b mit Ver­weis auf N 34 sowie N 30), so bei­spiels­wei­se bei einem Ver­lust der Kund­schaft oder Markt­ver­wir­rung (Ur­teil des Kan­tons­ge­richts Basel-​Land vom 21. Mai 2012 E. 3, in: CAN 2012 Nr. 50 S. 145 ff.; Spre­cher, a.a.O., Art. 261 ZPO N 34). Auch die län­ge­re Nicht­be­lie­fe­rung einer Ver­trei­be­rin ist ge­ne­rell ge­eig­net, deren Kun­den­stamm nach­hal­tig zu ero­die­ren, was zu Ein­bus­sen führt, die im Ein­zel­nen nur schwer zu be­wei­sen und mit Geld al­lein nicht zu be­he­ben sind (BGE 123 III 451 E. 3c; Ur­teil des Han­dels­ge­richts Zü­rich vom 2. No­vem­ber 2017, in: ZR 117/2018 S. 207 ff. E. 4). Auch wenn ein Han­deln oder eine Un­ter­las­sung grund­sätz­lich ge­eig­net ist, einen nicht leicht wie­der gut­zu­ma­chen­den Nach­teil zu be­grün­den, be­freit dies die ge­such­stel­len­de Par­tei je­doch nicht davon, den Nach­teil sub­stan­zi­iert zu be­haup­ten und dar­zu­le­gen. Trotz Be­weis­mass­re­duk­ti­on gilt im vor­lie­gen­den Mass­nah­me­ver­fah­ren die Ver­hand­lungs­ma­xi­me, wes­halb es nach Art. 55 Abs. 1 ZPO den Par­tei­en ob­liegt, die Tat­sa­chen, auf die sie ihre Be­geh­ren stüt­zen, dar­zu­le­gen und die Be­weis­mit­tel an­zu­ge­ben. Es trifft sie mit­hin je eine sub­jek­ti­ve Behauptungs-​ und Be­weis­last. Die Ge­such­stel­le­rin muss das tat­säch­li­che Fun­da­ment ihres Be­geh­rens dabei schlüs­sig be­haup­ten, d.h. je­den­falls so de­tail­liert schil­dern, dass ihre Tat­sach­be­haup­tun­gen nach­voll­zieh­bar sind und unter eine be­stimm­te Norm sub­su­miert wer­den kön­nen. Folge die­ser sog. Sub­stan­zi­ie­rungs­last ist, dass recht­s­er­heb­li­che Sach­ver­halts­ele­men­te, die nicht oder nicht ge­nü­gend sub­stan­zi­iert be­haup­tet wer­den, als nicht glaub­haft ge­macht an­zu­se­hen sind (vgl. Ur­teil des Ober­ge­richts Zug vom 10. Ja­nu­ar 2012 E. 3.3, in: GVP 2012 S. 204 ff.; Sutter-​Somm/Schrank, in: Sutter-​Somm/Ha­sen­böh­ler/Leu­en­ber­ger [Hrsg.], a.a.O., Art. 55 ZPO N 23 f.). Das Ge­richt nimmt auch keine über die Par­tei­be­haup­tun­gen hin­aus­ge­hen­den Er­mitt­lun­gen vor (Sutter-​Somm/Schrank, a.a.O., Art. 55 ZPO N 12, 20). Es bleibt in Er­in­ne­rung zu rufen, dass vor­lie­gend er­höh­te An­for­de­run­gen an die Vor­aus­set­zun­gen für den Er­lass einer vor-​sorglichen Mass­nah­me und an die Be­grün­det­heit des Be­geh­rens zu stel­len sind, da um Er­lass einer vor­sorg­li­chen Leis­tungs­mass­nah­me er­sucht wird (vgl. E. 2 in fine vorne).

4.2 Neben dem Ver­fü­gungs­grund ist im Fol­gen­den fer­ner zu prü­fen, ob die No­ven­ein­ga­be der Ge­such­stel­le­rin zu­läs­sig und im Wei­te­ren zu be­rück­sich­ti­gen ist. Die Ge­such­stel­le­rin be­grün­det die Zu­läs­sig­keit der No­ven­ein­ga­be le­dig­lich pau­schal und gibt an, es hand­le sich bei den neu-​en Tat­sa­chen um echte Noven, da diese al­le­samt nach Ein­rei­chen des Mass­nah­me­ge­suchs ent­stan­den seien (act. 9 N 2).

Die Be­stim­mun­gen des or­dent­li­chen Ver­fah­rens gel­ten sub­si­di­är für sämt­li­che üb­ri­gen und somit auch für das sum­ma­ri­sche Ver­fah­ren (Art. 219 ZPO). Das im or­dent­li­chen Ver­fah­ren gel-​tende Sys­tem von Art. 229 ZPO kann je­doch nicht un­be­se­hen auf das sum­ma­ri­sche Ver­fah­ren über­tra­gen wer­den. Denn im sum­ma­ri­schen Ver­fah­ren fin­det re­gel­mäs­sig nur ein ein­fa­cher Schrif­ten­wech­sel statt (vgl. Art. 253 ZPO) und das Ge­richt kann auf die Durch­füh­rung einer münd­li­chen Ver­hand­lung ver­zich­ten (Art. 256 Abs. 1 ZPO). Die un­be­schränk­te Mög­lich­keit zum Vor­brin­gen von Noven wi­der­sprä­che aus­ser­dem der ge­for­der­ten Schnel­lig­keit des sum­ma­ri­schen Ver­fah­rens im All­ge­mei­nen. Bei Durch­füh­rung des sum­ma­ri­schen Ver­fah­rens mit einem ein­ma­li­gen Schrif­ten­wech­sel tritt der Ak­ten­schluss daher nach der erst­ma­li­gen um­fas­sen­den Äus­se­rungs­mög­lich­keit ein. Die Par­tei­en haben kei­nen An­spruch, sich zwei­mal un­be­schränkt frei zur Sache zu äus­sern. Es trifft sie viel­mehr die Last, sämt­li­che Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen und Be­weis­mit­tel mit dem ers­ten Vor­trag ein­zu­rei­chen. Nach Ak­ten­schluss kön­nen die Par­tei­en neue Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen oder Be­weis­mit­tel mit spon­ta­nen Ein­ga­ben nur noch unter den Vor­aus­set­zun­gen für Noven ge­mäss Art. 229 Abs. 1 lit. a oder b ZPO vor­brin­gen. Echte Noven las­sen sich ohne Wei­te­res noch ein­brin­gen, so­fern dies ohne Ver­zug er­folgt. Un­ech­te Noven dür­fen hin­ge­gen nur noch ein­ge­reicht wer­den, wenn sie trotz zu­mut­ba­rer Sorg­falt nicht schon mit dem ers­ten Schrif­ten­wech­sel vor­ge­tra­gen wer­den konn­ten. Wer­den un­ech­te Noven vor­ge­bracht, muss dar­ge­legt wer­den, dass die Vor­aus­set­zun­gen nach Art. 229 Abs. 1 lit. b ZPO er-​füllt sind (vgl. BGE 144 III 117 E. 2; Ur­teil des Ober­ge­richts Zü­rich LF160046 vom 14. Sep­tem­ber 2016 E. II. 3.1; Ur­teil des Ober­ge­richts Bern ZK 12 217 vom 21. Sep­tem­ber 2012 E. 25; Leu­en­ber­ger, in: Sutter-​Somm/Ha­sen­böh­ler/ Leu­en­ber­ger [Hrsg.], a.a.O., Art. 229 ZPO N 17; Pahud, in: Brun­ner/Gas­ser/Schwan­der [Hrsg.], a.a.O., Art. 229 ZPO N 27; Sogo/Baech­ler, Ak-​tenschluss im sum­ma­ri­schen Ver­fah­ren, AJP 3/2020 S. 317, 323 f. Fn 59). Das No­ven­recht nach Art. 229 ZPO dient ge­ra­de nicht zum Nach­ho­len von ur­sprüng­lich Ver­säum­tem oder zur Rück­gän­gig­ma­chung pro­zes­sua­ler Nach­läs­sig­kei­ten (vgl. Moret, Ak­ten­schluss und No­ven­recht, 2014, N 600 ff.; Spre­cher, a.a.O., Art. 261 ZPO N 101). Fer­ner sind Noven, deren Ent­ste­hung we­sent­lich vom Wil­len einer Par­tei ab­hän­gen und wel­che die Par­tei erst in einem Zeit­punkt ent­ste­hen lässt, nach­dem Angriffs­ und Ver­tei­di­gungs­mit­tel nicht mehr un­be­schränkt vor­ge­bracht wer­den kön­nen (sog. Potestativ­Noven), nicht zu be­rück­sich­ti­gen. Da die Ein­brin­gung von Potestativ­ Noven mit zu­mut­ba­rer Sorg­falt frü­her mög­lich ge­we­sen wäre, wi­der­spricht deren Be­rück­sich­ti­gung der Even­tu­al­ma­xi­me sowie dem Grund­satz von Treu und Glau­ben (vgl. Ur­teil des Bun­des­ge­richts 4A_439/2014 vom 16. Fe­bru­ar 2015 E. 5, in: SZZP 3/2015 S. 236, wobei sich das Pro­zess­recht aber nicht zur Frage äus­sert, ob eine Par­tei eine be­stimm­te Tat­sa­che ins Leben rufen soll; Schmid/Hofer, Be­strei­tung von neuen Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen in der schrift­li­chen Du­plik, ZZZ 2016 S. 282 ff., 294 Fn 148).

(…)

4.3 (…) Das No­ven­recht im Sinne von Art. 229 ZPO dient ge­ra­de nicht zum Nach­ho­len von ur­sprüng­lich Ver­säum­tem oder zur Rück­gän­gig­ma­chung pro­zes­sua­ler Nach­läs­sig­kei­ten. Folg­lich ist daran fest­zu­hal­ten, dass die ur­sprüng­li­chen Aus­füh­run­gen der Ge­such­stel­le­rin zu den be­haup­te­ten Scha­dens­po­si­tio­nen (Ruf­schä­di­gun­gen, ent­gan­ge­ne Ge­win­ne, Ge­schäfts­chan­cen, Markt­ver­wir­rung) und zu deren be­haup­te­ten er­schwer­ten pro­zes­sua­len Durch­set­zung zu ge­ne­rell ge­hal­ten sind, wes­halb damit ein nicht leicht wie­der gut­zu­ma­chen­der Nach­teil nicht glaub­haft dar­ge­tan ist. (…)

5. Der Er­lass einer vor­sorg­li­chen Mass­nah­me muss zeit­lich dring­lich sein. Neben dem Ver­fü­gungs­an­spruch ist folg­lich ein Be­dürf­nis nach so­for­ti­gem Rechts­schutz er­for­der­lich (Kof­mel Eh­ren­zel­ler, a.a.O., Art. 261 ZPO N 7). Aus­ser­dem muss die be­an­trag­te Mass­nah­me ver­hält­nis­mäs­sig sein (Gün­ge­rich, a.a.O., Art. 261 ZPO N 39; Spre­cher, a.a.O., Art. 261 ZPO N 112). Auf­grund des feh­len­den Ver­fü­gungs­an­spruchs und -​grundes be­steht vor­lie­gend auch keine Dring­lich­keit, vor­sorg­li­che Mass­nah­men an­zu­ord­nen. Hin­sicht­lich der Ver­hält­nis­mäs­sig­keit ist zu be­ach­ten, dass der Al­lein­ver­triebs­ver­trag (…). Die be­an­trag­te Leis­tungs­mass­nah­me und des­sen Wir­kun­gen auf die Ge­suchs­geg­ne­rin er­scheint im Ver­gleich zu den nicht ge­nü­gend sub­stan­zi­ier­ten dro­hen­den Scha­dens­po­si­tio­nen der Ge­such­stel­le­rin viel­mehr als un­ver­hält­nis­mäs­sig.

6. Im Er­geb­nis ist fest­zu­hal­ten, dass die Vor­aus­set­zun­gen von Art. 261 ZPO nicht er­füllt sind und dem­entspre­chend der Ent­scheid des Kan­tons­ge­richts Zug, Ein­zel­rich­ter, vom 26. März 2020 (act. 4) zu be­stä­ti­gen ist. In die­sem Sinne er­üb­ri­gen sich auch Er­wä­gun­gen zu den be­an­trag­ten Voll­stre­ckungs­mass­nah­men im Sinne von Art. 267 ZPO.

Ent­scheid des Kan­tons­ge­richts Zug vom 15. Mai 2020 ES 2020 148

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