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Art. 115 ZPO
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Art. 318 ZPO

Art. 318 und 221 Abs. 1 lit. b ZPO

Re­ges­te:

Art. 318 und 221 Abs. 1 lit. b ZPO – Die Be­ru­fungs­schrift hat re­for­ma­to­ri­sche An­trä­ge zu ent­hal­ten. Mit den Be­ru­fungs­an­trä­gen muss zum Aus­druck ge­bracht wer­den, wel­che Punk­te des erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­des bzw. des­sen Dis­po­si­ti­ves an­ge­foch­ten wer­den und in­wie­fern der erst­in­stanz­li­che Ent­scheid ab­zu­än­dern ist.

Aus den Er­wä­gun­gen:

1. Nach Art. 311 Abs. 1 in Ver­bin­dung mit Art. 314 Abs. 1 ZPO ist die Be­ru­fung gegen einen im sum­ma­ri­schen Ver­fah­ren er­gan­ge­nen Ent­scheid bei der Rechts­mit­tel­in­stanz in­nert 10 Tagen seit Zu­stel­lung des be­grün­de­ten Ent­schei­des schrift­lich und be­grün­det ein­zu­rei­chen. In der Be­ru­fungs­schrift ist im Ein­zel­nen vor­zu­tra­gen, aus wel­chen Grün­den der an­ge­foch­te­ne Ent­scheid falsch sei und des­halb ge­än­dert wer­den müsse (Be­grün­dungs­last). So­dann ist ein – mit Blick auf Art. 318 ZPO grund­sätz­lich re­for­ma­to­ri­scher – An­trag zu stel­len (Gas­ser/Rick­li, Kurz­kom­men­tar ZPO, Zü­rich/St. Gal­len 2010, Art. 311 N 5). Aus dem Wort­laut von Art. 311 ZPO geht zwar nicht ex­pli­zit her­vor, dass die Be­ru­fungs­schrift An­trä­ge zu ent­hal­ten hat. Dies er­gibt sich je­doch auf­grund der Pflicht zur Be­grün­dung der Be­ru­fungs­schrift, wel­che ent­spre­chen­de (zu be­grün­den­de) Be­ru­fungs­an­trä­ge im­pli­zit vor­aus­setzt, von selbst (Reetz/Thei­ler, in: Sutter-​Somm/Ha­sen­böh­ler/Leu­en­ber­ger [Hrsg.], Kom­men­tar zur ZPO, 2. Aufl., Zü­rich/Basel/Genf 2013, Art. 311 N 34 mit Hin­wei­sen auf die Recht­spre­chung; Spüh­ler, Bas­ler Kom­men­tar ZPO, 2.A., Basel 2013, Art. 311 N 12). Aber auch aus Art. 221 Abs. 1 lit. b ZPO, des­sen Be­stim­mung für die Be­ru­fungs­schrift sinn­ge­mäss zur An­wen­dung kommt, er­gibt sich, dass die Be­ru­fung kon­kre­te An­trä­ge zu ent­hal­ten hat (Sei­ler, Die Be­ru­fung nach ZPO, Zü­rich/Basel/Genf 2013, S. 371 Rz 872; Reetz/Thei­ler, a.a.O., Art. 311 N 33 mit Hin­weis auf BGE 138 III 213 E. 2.3). Ein hin­läng­lich be­stimm­tes Rechts­be­geh­ren bzw. kon­kre­te An­trä­ge sind als un­ge­schrie­be­nes, aber selbst­ver­ständ­li­ches Form­erfor­der­nis der Be­ru­fungs­schrift zu be­trach­ten. Dar­aus muss sich mit hin­läng­li­cher Deut­lich­keit er­ge­ben, dass die Par­tei die in­halt­li­che Über­prü­fung des an­ge­foch­te­nen Ur­teils durch eine obere In­stanz ver­langt und wel­chen Ent­scheid die an­fech­ten­de Par­tei an­strebt (Ster­chi, in: Ber­ner Kom­men­tar ZPO, 2012, Art. 311 N 14). Der Be­ru­fungs­klä­ger darf sich des­halb grund­sätz­lich auch nicht dar­auf be­schrän­ken, le­dig­lich die Auf­he­bung des an­ge­foch­te­nen erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­des zu be­an­tra­gen, son­dern er muss einen An­trag in der Sache stel­len, und zwar in den Rechts­be­geh­ren der Be­ru­fungs­schrift selbst, d.h. in den Be­ru­fungs­an­trä­gen, und nicht bloss in der Be­grün­dung (BGE 133 III 489 E. 3.1). Geht es um eine auf Geld­leis­tung ge­rich­te­te For­de­rung, so ist dem­nach eine Be­zif­fe­rung er­for­der­lich (BGE 137 III 617 E. 4.3). Da die kan­to­na­le Be­ru­fungs­in­stanz volle Ko­gni­ti­on in Tat- und Rechts­fra­gen be­sitzt (Art. 310 ZPO), reicht es folg­lich auch im Fall, in dem der Sach­ver­halt von der ers­ten kan­to­na­len In­stanz un­voll­stän­dig fest­ge­stellt wurde, nicht aus, le­dig­lich die Auf­he­bung des erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­des und die Rück­wei­sung der Sache an die erste kan­to­na­le In­stanz zu ver­lan­gen. Mit den Be­ru­fungs­an­trä­gen soll (prä­zi­se) zum Aus­druck ge­bracht wer­den, wie genau die kan­to­na­le Be­ru­fungs­in­stanz ent­schei­den soll bzw. wel­che Punk­te des erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­des (bzw. des­sen Dis­po­si­ti­ves) an­ge­foch­ten wer­den und in­wie­fern der erst­in­stanz­li­che Ent­scheid ab­zu­än­dern ist (Reetz/Thei­ler, a.a.O., Art. 311 N 34). Die An­trä­ge sol­len grund­sätz­lich so lau­ten, dass sie vom Ge­richt ohne Wei­te­res zum Ur­teil er­ho­ben wer­den kön­nen, wenn es das Rechts­mit­tel gut­heisst. Sind die Be­ru­fungs­an­trä­ge un­klar for­mu­liert, wer­den sie – wie alle Rechts­be­geh­ren – nach ihrem Sinn und Ge­halt aus­ge­legt, wobei eine ob­jek­ti­ve Aus­le­gung nach all­ge­mei­nen Grund­sät­zen und unter Be­rück­sich­ti­gung von Treu und Glau­ben zu er­fol­gen hat (Reetz/Thei­ler, a.a.O., Art. 311 N 35 mit Hin­weis auf BGE 105 II 149 E. 2a; 82 III 145 E. 1). Die Be­ru­fungs­an­trä­ge stel­len ge­wis­ser­mas­sen das «Kern­stück» der Be­ru­fungs­schrift dar (Schüepp, Der Be­ru­fungs­an­trag im Zi­vil­pro­zess, unter be­son­de­rer Be­rück­sich­ti­gung des Kan­tons Zü­rich, Diss. Zü­rich 1979, S. 43).

Sind die An­for­de­run­gen an die Be­ru­fungs­an­trä­ge nicht ein­ge­hal­ten, so man­gelt es an einer Zu­läs­sig­keits­vor­aus­set­zung für die Be­ru­fung und es kann dar­auf nicht ein­ge­tre­ten wer­den. Es han­delt sich dabei nicht um einen ver­bes­ser­li­chen Man­gel im Sinne von Art. 132 ZPO (ius.focus 1/2012, S. 17, Kom­men­tar zum Ur­teil vom 9. März 2011 des Ober­ge­richts So­lo­thurn; Sei­ler, a.a.O., S. 392 Rz 910; Reetz/Thei­ler, a.a.O., Art. 311 N 12). Die 10-​tägige Be­ru­fungs­frist nach Art. 314 Abs. 1 ZPO ist eine ge­setz­li­che Frist und kann nicht er­streckt wer­den (Art. 144 Abs. 1 ZPO). Eine Nach­fris­tan­set­zung zur Be­he­bung man­gel­haf­ter bzw. un­ge­nü­gen­der Be­ru­fungs­an­trä­ge würde aber auf eine Ver­län­ge­rung der nicht er­streck­ba­ren Rechts­mit­tel­frist hin­aus­lau­fen (vgl. Ster­chi, a.a.O., Art. 311 N 21 f; Reetz/Thei­ler, a.a.O., Art. 311 N 35).

2.1 Der Be­ru­fungs­an­trag des Ge­suchs­geg­ners, «der an­ge­foch­te­ne Ent­scheid sei auf­zu­he­ben und es sei der Be­ru­fungs­be­klag­ten ein hy­po­the­ti­sches Ein­kom­men von Ja­nu­ar 2013 bis und mit No­vem­ber 2013 in der Höhe von ma­xi­mal CHF 5'000.– an­zu­rech­nen», ge­nügt den ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen, wie sie eben dar­ge­legt wur­den, nicht. Im vor­in­stanz­li­chen Ent­scheid wird der Ge­suchs­geg­ner u.a. ver­pflich­tet, der Ge­such­stel­le­rin für eine be­stimm­te Dauer einen Un­ter­halts­bei­trag in be­stimm­ter Höhe zu be­zah­len. Die­sen Ent­scheid ficht der Ge­suchs­geg­ner an. Es geht in der Sache also um die Frage, ob und ge­ge­be­nen­falls in wel­cher Höhe und für wel­chen Zeit­raum der Ge­suchs­geg­ner der Ge­such­stel­le­rin einen Un­ter­halts­bei­trag zu be­zah­len hat. Der Be­ru­fungs­klä­ger hat mit­hin in sei­nem An­trag ent­we­der zu ver­lan­gen, dass der Ge­such­stel­le­rin kein Un­ter­halts­bei­trag oder aber ein sol­cher in le­dig­lich re­du­zier­ter Höhe zu­ge­spro­chen wird, wobei er im zwei­ten Fall die Höhe zu be­zif­fern hat. Die An­rech­nung eines hy­po­the­ti­schen Ein­kom­mens, wie er das in sei­nem An­trag ver­langt, stellt hin­ge­gen le­dig­lich den Grund für die Ver­nei­nung oder ein Be­mes­sungs­kri­te­ri­um für die Fest­set­zung eines all­fäl­li­gen Un­ter­halts­bei­tra­ges dar. Aus dem Rechts­be­geh­ren des Ge­suchs­geg­ners geht nun nicht her­vor, ob er der Auf­fas­sung ist, dass er der Ge­such­stel­le­rin kei­nen Un­ter­halts­bei­trag zu leis­ten habe, wenn ihr ein hy­po­the­ti­sches Ein­kom­men an­zu­rech­nen ist, oder ob er bei die­ser Vor­ga­be zwar an­er­kennt, einen sol­chen zu schul­den, nicht aber in der von der Vor­in­stanz fest­ge­setz­ten Höhe. Das lässt sich auch der Be­ru­fungs­be­grün­dung nicht ent­neh­men. Es kommt hinzu, dass er von einem Ma­xi­mal­be­trag des an­re­chen­ba­ren hy­po­the­ti­schen Ein­kom­mens spricht, so dass auch des­we­gen un­klar bzw. offen bleibt, ob er mit sei­ner Be­ru­fung eine gänz­li­che Ver­wei­ge­rung oder le­dig­lich eine Re­duk­ti­on des von ihm zu be­zah­len­den Un­ter­halts­bei­tra­ges be­an­tragt. Dass dem Be­ru­fungs­be­geh­ren nicht klar ent­nom­men wer­den kann, was der Ge­suchs­geg­ner ma­te­ri­ell for­dert bzw. in­wie­fern der an­ge­foch­te­ne Ent­scheid ge­än­dert wer­den soll, zeigt sich auch darin, dass er im vor­in­stanz­li­chen Ver­fah­ren in sei­nem Even­tual­an­trag Ziff. 3 noch selbst ver­langt hatte, er sei zur Zah­lung an­ge­mes­se­ner Un­ter­halts­bei­trä­ge von ma­xi­mal CHF 3'920.– für eine Zeit­dau­er bis ma­xi­mal Ende No­vem­ber 2013 zu ver­ur­tei­len, wenn auf das Ge­such ein­zu­tre­ten sei. Man muss sich des­halb fra­gen, ob dem Ge­suchs­geg­ner, soll­te er mit sei­ner Be­ru­fung die Ver­wei­ge­rung jeg­li­cher Un­ter­halts­zah­lun­gen ge­gen­über der Ge­such­stel­le­rin ver­lan­gen, über­haupt die vor­aus­ge­setz­te Rechts­mit­tel­be­schwer zu­kä­me. So­weit der Ge­such­stel­ler mit sei­ner Be­ru­fung die Fest­stel­lung des an­re­chen­ba­ren hy­po­the­ti­sche Ein­kom­mens der Ge­such­stel­le­rin ver­lan­gen soll­te, würde es sich dabei um einen neuen An­trag und damit um eine un­zu­läs­si­ge Kla­ge­än­de­rung han­deln, nach­dem weder gel­tend ge­macht wird noch sonst wie er­sicht­lich ist, dass diese Kla­ge­än­de­rung auf neuen Tat­sa­chen und Be­weis­mit­teln be­ruht (Art. 317 Abs. 2 ZPO). Über­dies würde ihm für eine sol­che Fest­stel­lung aber of­fen­sicht­lich auch das not­wen­di­ge Rechts­schutz­in­ter­es­se feh­len, wes­halb dar­auf auch aus die­sem Grun­de nicht ein­ge­tre­ten wer­den könn­te. Die An­rech­nung eines hy­po­the­ti­schen Ein­kom­mens be­schlägt le­dig­lich die Frage nach der Leis­tungs­fä­hig­keit der Par­tei­en. Steht diese fest, ist über die Frage des ge­büh­ren­den Le­bens­be­darfs noch nichts ge­sagt. Die­ser rich­tet sich grund­sätz­lich nach den zu­letzt ge­leb­ten Ver­hält­nis­sen vor der Tren­nung. Der Ge­suchs­geg­ner hätte in sei­nem Be­ru­fungs­an­trag klar sagen müs­sen, ob der Ge­such­stel­le­rin über­haupt ein Un­ter­halts­bei­trag zu­zu­spre­chen sei und – falls ja – in wel­cher (al­len­falls ma­xi­ma­len) Höhe. Die Vor­in­stanz hat im Üb­ri­gen auch eine Über­schuss­ver­tei­lung vor­ge­nom­men, und es wird nicht klar, ob der Ge­suchs­geg­ner einer sol­chen Ver­tei­lung op­po­niert, wenn der Ge­such­stel­le­rin ein hy­po­the­ti­sches Ein­kom­men an­ge­rech­net würde. Ge­nügt der ge­nann­te (Haupt-​)Be­ru­fungs­an­trag mit­hin den ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen nicht, kann dar­auf nicht ein­ge­tre­ten wer­den.

2.2 Auch auf den Even­tu­al­be­ru­fungs­an­trag, wo­nach der Ent­scheid auf­zu­he­ben und zur Neu­be­ur­tei­lung an die Vor­in­stanz zu­rück­zu­wei­sen sei, kann nicht ein­ge­tre­ten wer­den. Es ist näm­lich nicht er­sicht­lich, wes­halb eine Rück­wei­sung in Be­tracht kom­men soll­te, und der Ge­suchs­geg­ner legt das denn auch nicht dar (BGE 133 III 489 E. 3.1). Ab­ge­se­hen davon ist oh­ne­hin in aller Regel ein An­trag in der Sache er­for­der­lich, an­sons­ten auf die Be­ru­fung nicht ein­zu­tre­ten ist. Der Rechts­mit­tel­klä­ger kann sich nicht damit be­gnü­gen, die Auf­he­bung des erst­in­stanz­li­chen Ent­scheids und die Rück­wei­sung an die Vor­in­stanz zu ver­lan­gen. In sei­nem Rechts­be­geh­ren muss er viel­mehr an­ge­ben, wel­chen ma­te­ri­el­len Aus­gang des Ver­fah­rens er an­strebt. Die­ses Er­for­der­nis er­gibt sich – wie be­reits aus­ge­führt – dar­aus, dass das Be­ru­fungs­ge­richt einen re­for­ma­to­ri­schen Ent­scheid fäl­len kön­nen soll (vgl. Art. 318 ZPO), d.h. dass die Be­ru­fung grund­sätz­lich re­for­ma­to­ri­sche und nicht bloss kas­sa­to­ri­sche Wir­kung hat. Die Rechts­be­geh­ren sind – wie eben­falls be­reits an an­de­rer Stel­le er­wähnt – so zu for­mu­lie­ren, dass sie bei Gut­heis­sung des Rechts­mit­tels zum Dis­po­si­tiv des Be­ru­fungs­ent­scheids er­ho­ben wer­den könn­ten (vgl. BGE 137 III 617; Reetz/Thei­ler, a.a.O., Art. 311 N 34 f. vgl. Ent­scheid des Kan­tons­ge­richts Basel-​Landschaft, Ab­tei­lung Zi­vil­recht, vom 25. Juni 2013, Fall-​Nr. 400 13 90).

Ober­ge­richt, II. Zi­vil­ab­tei­lung, 7. Mai 2014 (eine da­ge­gen er­ho­be­ne Be­schwer­de wies das Bun­des­ge­richt mit Ur­teil 5A_481/2014 vom 12. Au­gust 2014 ab)

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